Gefärbte Plastiken,
frisch restauriert

Nach dreijähriger Sanierung wurde das Doppelhaus, in dem Wassily Kandinsky und Paul Klee wohnten, pünktlich zum 100. Bauhaus-Geburtstag wiedereröffnet

Innenansicht des Ateliers von Paul Klee mit rekonstruiertem Schrankeinbau und Galerie aus Holz Foto: Stiftung Bauhaus Dessau

Von Ronald Berg

Unmittelbar nach seiner Entlassung als Direktor des Bauhauses 1930 beschrieb Hannes Meyer die Lage an der Reformschule zwei Jahre zuvor: „Was fand ich bei meiner Berufung vor? Ein Bauhaus, dessen Leistungsfähigkeit von seinem Ruf um das Mehrfache übertroffen wurde und mit dem eine beispiellose Reklame getrieben wurde. Man bewohnte die gefärbten Plastiken der Häuser. Auf deren Fußböden lagen als Teppiche die seelischen Komplexe junger Mädchen. Überall erdrosselte die Kunst das Leben.“

Nun also präsentiert sich das Bauhaus erneut als „gefärbte Plastik“. Nur die Teppiche gibt es nicht mehr. Das vor Ostern nach dreijähriger Sanierung pünktlich zum 100. Bauhaus-Geburtstag wiedereröffnete Doppelhaus, in dem die Bauhausmeister Wassily Kandinsky und Paul Klee wohnten, wird in Dessau mehr wie ein Kunstwerk denn als Wohngebäude ausgestellt.

Bauhaus-Direktor Walter Gropius hatte bei der 1926 fertiggestellten Meisterhaussiedlung in Dessau die Idee, das Bauen zu industrialisieren. Hier hatte man Typisierung und Montage von industriellen Vorfabrikaten eigentlich bereits realisieren wollen. Doch die produktionstechnischen Voraussetzungen fehlten noch. Die drei Doppelhäuser und das Direktorenhaus für Gropius an der Spitze des kiefernbestanden Grundstücks gleich um die Ecke vom Bauhaus-Schulgebäude zeigen so im Grunde nur den berüchtigten „Bauhaus-Stil“: kubisch, weiß mit flachem Dach. Für die Zeit waren die Wohnhäuser trotz ihrer nackten Fassaden ziemlich luxuriös ausgestattet, und sie beherbergten große Malateliers.

Das Haus von Kandinsky und Klee ist nun wieder für die Öffentlichkeit zugänglich – gleichsam als Museum seiner selbst. Innen allerdings bleibt es vollkommen leer. Es ist die letzte Konsequenz aus der Revision der erst knapp 20 Jahre zurückliegenden Renovierung des Gebäudes. In den 90er Jahren wurden frühere Wohnnutzungen aus der Zeit nach dem Bauhaus rückgängig gemacht, und das Gebäude als Ausstellungshaus verwendet. Gravierendste Maßnahme war damals der Einbau einer Klimaanlage.

Die gemeinnützige Wüstenrot-Stiftung, die jetzt als Bauherr die neuerliche Renovierung für 1,5 Millionen Euro bewerkstelligt hat, ließ das Gebäude in den Zustand beim Auszug der Meister 1933 zurückversetzen. Das Haus wurde im Grunde behandelt wie ein zu restaurierendes Gemälde. Der Vergleich ist durchaus angebracht, ist das Doppelhaus doch innen mit 100 verschiedenen Farbtönen gestrichen gewesen: gleichsam ein begehbares Gemälde. Das Besondere ist, dass die prominenten Bewohner am Farbkonzept zumindest teilweise beteiligt waren. Die Haushälfte Klee ist etwas milder in den Farben, während bei Kandinsky Wände sogar mit Blattgold belegt wurden oder ganz in Schwarz gehalten sind. Die Wüstenrot-Stiftung hat dafür gesorgt, dass die einstigen Farben pigmentgenau nachgemischt wurden.

Nur wo es unumgänglich war, weichen jetzt Details vom Originalzustand ab. So beim Flachdach. Offenbar war weder das Büro Gropius in der Lage, ein funktionierendes Dach zu bauen, noch hat die Sanierung von 1998 das auf dem Dach stehende Wasser beseitigen können. Es gab zu wenige Abflüsse und die Neigung war zu gering. Durchs Dach sickerte Wasser. Die aktuelle Sanierung hat deshalb mit Beton und neuem Dichtungsmaterial die Baumängel beseitigt.

Vieles am Bauhaus war eben nicht so funktional, wie es Gropius der Öffentlichkeit weismachen wollte. Der Bauhaus-Chef hatte seinerzeit nämlich extra einen Film drehen lassen, um die Leistung seiner Architektur am Beispiel seines eigenen Hauses in der Siedlung herauszustellen. Das hieß: Überall funktionalistischer Schnickschnack, selbst da, wo es heute durch DIN-Normen verboten wäre. Etwa beim Waschbecken im Wohnzimmer, wo unter den Wasserhähnen ein elektrischer Wasserkocher betrieben wird, wenn die Dame des Hauses Besuch zum Tee empfängt.

Ist das Doppelhaus, in 100 Farbtönen gestrichen, doch gleichsam ein begehbares Gemälde

Die für kurze Wege optimierte Küche, zu der in Gropius’ Film offenbar noch ein Hausmädchen in Dienstkleidung gehört, fehlt jetzt im Doppelhaus Kandinsky/Klee vollkommen. Ebenso fehlen die Möbel. Und es fehlen – zumindest auf der Oberfläche – Spuren der Geschichte des Hauses. Denn das Gebäude wurde nach der Vertreibung des Bauhauses während der Nazi-Zeit und in der DDR zu Wohnzwecken genutzt.

Einiges wurde dabei verändert, manches verfiel. Anders als bei dem im Krieg zerstörten Direktorenhaus von Gropius ist das Domizil von Kandinsky und Klee aber in der Substanz weitgehend erhalten geblieben. Eine in Beton gegossene Replik als eine Art interpretierendes Bild wie 2014 beim Direktorenhaus war hier nicht nötig, sondern „Authentizität“ gefragt – immerhin sind die Bauhaus-Stätten in Dessau Unesco‑Weltkulturerbe. Aber die Konzentration auf das baukünstlerische Artefakt beim Kandisky/Klee‑Haus unterschlägt doch einiges: Geschichte und Funktion werden heute – einmal mehr – nur per Film vermittelt, damit nicht Texttafeln das Raumgefüge des Baukunstwerks entstellen.

Dabei sind die Häuser im Grunde schrecklich verschachtelt. Dazu überall Türen, um die vielen Zimmerchen untereinander zu verbinden. Im Grunde sind die Meisterhäuser weder sonderlich funktional (Klee etwa klagte über hohe Heizkosten) noch so revolutionär, wie es äußerlich scheint. Es sind eigentlich nur Wohnungen nach recht bürgerlichem Schema, aber in einer neuen Mode: dem Bauhaus-Stil.

Meisterhäuser in Dessau, Ebertallee 69-71, www.bauhaus-dessau.de