„Duell ja oder nein?“

Ein Einbruch in ein altes Schloss gab den Anstoß für Robert Rauhs erstes Buch über Theodor Fontane. Seinen SchülerInnen bringt
der Lehrer für Deutsch und Geschichte den alten Schriftsteller über Themen wie Ehre und den Druck gesellschaftlicher Zwänge nah

Robert Rauh

Foto: privat

52, in Berlin geboren und Autor und Lehrer in Berlin. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich vor allem unter topografischen Gesichtspunkten mit dem Werk Theodor Fontanes. Erschienen sind bisher „Fontanes Fünf Schlösser“, „Fontanes Frauen“, demnächst erscheint „Fontanes Ruppiner Land“, die Adaption des ersten Bandes der

„Wanderungen durch die Mark Brandenburg“

Interview Alke Wierth

taz: Herr Rauh, woher kommt Ihre Leidenschaft für Fontane?

Robert Rauh: Fontane hat mich schon in der Schule interessiert. Im Deutschunterricht gehören seine Romane ja bis heute zur Pflichtlektüre. Wir haben „Effi Briest“ gelesen. Mehr als Effis Schicksal bewegte mich das Dilemma, in dem ihr betrogener Ehemann steckte. Duell ja oder nein? Meine zweite Begegnung mit Fontane war ein unerlaubter Einstieg 1991 ins Schloss Hoppenrade im Löwenberger Land. Ich wollte mir das historische Treppenhaus anschauen, das Fontane in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beschrieben hat. Das Schloss stand damals, zwei Jahre nach der Wende, leer; Konsum, Kneipe und Jugendclub waren ausgezogen, es war dem Verfall preisgegeben. Aber das Treppenhaus war erhalten. Anschließend erfuhr ich, dass Hoppenrade nicht in den „Wanderungen“ vorkommt, sondern in einem Extraband „Fünf Schlösser“. Damals kam mir die Idee, in Erfahrung zu bringen, was aus den anderen vier Schlössern geworden ist.

So entstand Ihr erstes Fontane-Buch „Fontanes fünf Schlösser“?

Bücher zu schreiben stand damals nicht auf meinem Lebensplan. Erst als ich 2013 mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet wurde und eine Agentur mit einem Buchprojekt zur Schulpolitik auf mich zukam, habe ich die Idee wieder aufgegriffen. Wir fanden einen Verlag, und ich gewann Erik Lorenz, einen Reiseschriftsteller, als Co-Autor. Er ist übrigens auch ein ehemaliger Schüler von mir.

Jetzt erscheint bald Ihr drittes Fontane-Buch.

Ja, ich dachte damals, meine Beschäftigung mit Fontane sei mit den „Fünf Schlössern“ beendet, weil das Thema vermutlich nur wenige interessieren würde. Aber die ersten beiden Bücher …

… das zweite, 2018 erschienen, dreht sich um „Fontanes Frauen“ ..

… sind inzwischen in der 2. Auflage erschienen. So ging es weiter mit Fontane und mir.

Was hat uns Fontane heute noch zu sagen?

Mein Interesse ist vor allem ein historisches: Bei den literarischen Frauenfiguren sind es die realen Vorbilder, also die Frauenrolle im Kaiserreich. Bei den „Fünf Schlössern“ und den „Wanderungen“ sind es regionalgeschichtliche Aspekte. Fontane schuf ein einmaliges zeitgenössisches Dokument. Denn zu seiner Zeit verirrten sich nur wenige Reiseschriftsteller in die Mark. Für viele Orte sind seine Aufzeichnungen die einzige historische Quelle.

Sie sind Lehrer für Deutsch und Geschichte: Finden Ihre Schülerinnen und Schüler Fontane auch so spannend?

Für sie ist Fontane ein antiquierter Schriftsteller, den viele langweilig finden. Es fällt ihnen schwer, diese ermüdenden Beschreibungen zu lesen. Das liegt aber auch daran, dass sie generell wenig lesen. Ich versuche ihnen zu erklären, dass Fontane sehr wohl ein moderner Autor mit aktuellen Fragestellungen ist.

Welche wären das denn?

Fontanes Romane bieten die Möglichkeit, über Werte wie Liebe und Treue zu sprechen, es gibt Bezüge zu Themen wie Familienkonflikten, Ehre oder der Frage, wie weit man sich gesellschaftlichen Normen beugen muss. Ein möglicher Zugang ist etwa der der poetischen Leerstelle, indem wir zusätzliche Dialoge schreiben, oder über den veränderten Schluss in der Neuverfilmung des Romans „Effi Briest“ von Hermine Huntegburth diskutieren. Darf man mit Literatur so umgehen? Darf Effi als selbstbewusste Frau weiterleben? In diesem Zusammenhang kann man dann auch über die realen Vorbildern der fiktiven Figuren reden. Fontane wollte keine Biografien nachzeichnen, ihn haben nur wenige Aspekte interessiert, die er zuspitzte. So zerbricht Elisabeth von Ardenne, die reale Effi, nicht an den Folgen ihres Ehebruchs, sondern überlebt ihren Ausschluss aus der adligen Gesellschaft und erlernt einen bürgerlichen Beruf.

Und kriegen Sie Ihre Schüler damit?

Es werden nicht alle zu glühenden Fontane-Anhängern. Als ich in einer Klasse vor dem dicken Wälzer „Effi Briest“ gewarnt hatte, meinte ein Schüler später, es sei nicht so schlimm gewesen, wie er befürchtet habe. Das hat mich gefreut.

Das hätte Fontane sicher auch gefallen.

Bestimmt. Mich würde interessieren, was er sagen würde, wenn er heute bei einer Deutschstunde dabei wäre, in der seine Bücher behandelt werden.

Was meinen Sie?

Wahrscheinlich würde er sagen, was er in seinem autobiografischen Roman geschrieben hat: „Denn man hört nie auf, erziehungsbedürftig zu sein; ich gehe noch jetzt in die Schule und lerne von Leuten, die meine Enkel sein könnten.“

Was ist Ihre Empfehlung zum Fontane-Jahr?

Wer sich auf Fontanes Spuren in der Mark begeben will, kann das in der Ausstellung „Fontane trifft Knesebeck“ in Karwe am Ruppiner See tun. Krafft von dem Knesebeck, der Nachfahre des damaligen Gutsherren Alfred von dem Knesebeck, stellt ab Mai dort Gegenstände aus, die Fontane in seinem Notizbuch und in den „Wanderungen“ beschrieben hat.