berliner szenen
: Postdiebe trinken Cappuccino

Es gibt sicherlich bessere Ideen, als seinen Geburtstag mit einem Besuch im Stickermuseum zu krönen, aber egal, wir fahren mit dem Rad nach Friedrichshain, in eine Gegend, in der ich sonst eher selten bin. Ich dachte, ich könne dort ein paar Fotos schießen, aber das Sticker­museum, das sich in einem unscheinbaren Ladenlokal befindet, hat zu. Die Jalou­sien sind unten, an der Tür klebt ein Zettel mit dem Hinweis, das Museum bleibe diese Woche geschlossen, weil der Inhaber „a terrible cold“ habe.

Die Kinder stöhnen auf, weil sie sich einen kostenlosen Sticker versprochen hatten. Ihre Räder stehen mitten auf dem Bürgersteig und versperren einem Postler den Weg. Es entspinnt sich ein Gespräch, in dessen Verlauf uns der Postler sein Leid klagt. In seinem Bezirk würden in der letzten Zeit immer wieder Briefe geklaut, nur die kleinen Exemplare, keine A4-Sendungen. Wenn er mit der Post im Haus sei, würden die Briefe draußen aus dem gelben Postwägelchen gestohlen. Er habe auch schon ein Grüppchen im Verdacht, lässt der Postler wissen.

Drei Leute seien das, haben Kollegen oder die Polizei ermittelt, das wird nicht ganz klar, und diese drei säßen seiner Meinung nach da vorn im Café, zwei Schwarze und noch einer. Da vorn im „Verzuckert“? Hm, das kommt mir merkwürdig vor, dass die Postdiebe vor diesem Bobo-Kuchending ihren Cappuccino trinken sollten, aber der Postler beharrt darauf, denn der eine trage, wie beschrieben, eine schwarze Jacke und der andere eine weiße. Er hält jetzt seinen Packen Post noch fester umklammert, als wolle er signalisieren, seinen Schatz gegen Posträuber aller Art verteidigen zu wollen. Wir wünschen ihm einen guten Tag und gehen wenig später ins Verzuckert. Wir trinken heiße Schokolade und essen Zitronentartelettes. Es schmeckt ganz wunderbar. Diebe haben wir nicht entdeckt. Markus Völker