„Man muss nicht aus einem anderen Land kommen, um Refugee zu sein“

Ata Anat hatte die Idee, Hip-Hop-Workshops für Geflüchtete zu machen – doch dabei blieb es nicht

:

Ata Anat,32, ist Erster Vorstandvorsitzender von „Rap For Refugees“, Jugendfußballtrainer und im Empfang und Objektschutz aktiv.

Interview Paula Müller
und Leonie Theiding

taz: Ata, was war deine Motivation für die Gründung von „Rap For Refugees“?

Ata: Ich wollte schon immer etwas Eigenes erschaffen. Und da ich seit ich 14 bin als Jugendfußballtrainer arbeite, konnte ich beobachten, was Leidenschaft mit den Jugendlichen macht. Dieses „Für-Etwas-Brennen“ wollte ich auch an andere weitergeben. Dadurch, dass die Hip-Hop-Kultur so viele unterschiedliche Menschen erreicht und so facettenreich ist, passte es für unser Projekt perfekt. Klar, es hat diesen schlechten Ruf – Straße, Ghetto und Kriminalität. Beschäftigt man sich aber tiefgründiger mit dem Genre, entdeckt man ein buntes Mosaik an unterschiedlichen Kunstsprachen. Jeder kann sich in der Vielfalt des Hip-Hops wiederfinden – Tanz, Rap, Gesang oder Graffiti. Außerdem ist mir wichtig, den Jugendlichen etwas für ihren weiteren Lebensweg mitzugeben – Höflichkeit, Disziplin und Selbstbewusstsein.

Hast du einen persönlichen Bezug zu Hip-Hop?

Einen unmittelbaren Bezug zu Hip-Hop hatte ich nicht wirklich. Ich bin mit den Texten von Samy Deluxe aufgewachsen und habe immer wieder festgestellt, dass Hip-Hop eine universelle Sprache ist. Hip-Hop-Kultur fließt in die kleinsten Winkel. Viele unterschiedliche Menschen finden sich hier wieder – das hat mich schon immer fasziniert. Außerdem vergleiche ich Hip-Hop sehr gerne mit Fußball, weil es beides die Gesellschaft widerspiegelt. Das eine als Volkssportart, das andere als meist verbreitetes Genre. Hip-Hop hat jedoch im Vergleich zu Fußball viel mehr Möglichkeiten sich auszudrücken.

Was ist „Rap For Refugees“?

Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der interkulturelle Veranstaltungen und Workshops konzipiert. „Rap For Refugees“ bietet zudem bei seinen größeren Veranstaltungen eine Plattform für unterschiedliche Vereine und Institutionen, zusammenzukommen und Kunst zu machen. Außerdem wird die Reichweite der Kunstmachenden größer, denn unterschiedliche Organisationen bringen ein differenziertes Publikum mit sich.

Wen definiert ihr als „Refugees“?

(lacht) Anscheinend habt ihr euch etwas mit unserem Verein beschäftigt, sonst würdet ihr die Frage nicht stellen. Am Anfang haben wir „Refugees“ so definiert, wie es im Duden steht. Jedoch haben wir nach kurzer Zeit festgestellt, dass man nicht aus einem anderen Land kommen muss, um ein „Geflüchteter“ zu sein. Menschen können aus den verschiedensten Situationen flüchten wollen – Emotionen, Beziehungs- und Gesellschaftsverhältnissen. „Rap For Refugees“ bietet jedem Raum, Erlebtes zu verarbeiten.

Was macht das „Auf der Bühne stehen“ mit den Jugendlichen?

Es stärkt die Teilnehmenden, weil sie sehen, dass man ihnen zuhört. Das Klatschen und Jubeln am Ende eines Auftritts und überhaupt auf einer großen Bühne zu stehen – natürlich ein Highlight. Aber vor allem realisieren die Teilnehmenden, dass Arbeit und Leidenschaft sie weit bringen kann. Dieses Wissen gibt ihnen so viel mehr als der Hochmoment auf der Bühne.

Workshops, Di-Do, 17.30 bis 19 Uhr: Mediadock auf den Elbinseln, Prassekstraße;Istanbul Music Festival,7. -9. Juni im Knust.Weitere Infos unter rapforrefugees.org