Ausgehen und rumstehen von Detlef Kuhlbrodt
: Später verliert, wie erwartet, mein Lieblingsverein

Dass jetzt schon Frühling ist, ist komisch, aber kommt nicht ganz unerwartet. Ein halbes Jahr bleiben die Fenster nun auf; dann macht man sie wieder zu, und es wird dann auch gut gewesen sein. Ich gehe zu Edeka, wie jeden Tag, und kaufe Kassler. Kassler mit Sauerkraut gehört zu den Gerichten, die ich kann. Es kostet 3,49 Euro das Kilo. Ich nehme drei Koteletts und bekomme noch eins umsonst. Dem Fleischfachverkäufer ist der Preis peinlich. Wäre das Kassler 2 Euro teurer, verkauften sie mehr davon in der Bergmannstraße.

S. ruft an. Er ist zu Besuch bei M., der sturmfreie Bude hat, weil der Freund seiner Tochter, der seit einem Jahr bei ihm wohnt, mit seiner Tochter im Urlaub ist. Wir treffen uns dann mit den anderen in der Wiener Straße.

Am Nebentisch sitzen junge Dealer und trinken Cola. Ich stelle mir jedenfalls vor, dass es sich um Dealer handelt. Es könnte natürlich auch sein, dass sie artig für mehr Klima demonstriert haben. Das Licht ist jedenfalls wunderschön diesig. Ich sitze zum ersten Mal seit hundert Jahren in der Wiener Straße. Ab und an war ich in der Zwischenzeit zwar auch in der Weißen Taube – damals, als meine Lieblingsmannschaft noch keine Witzfigur gewesen war –, aber da war ich immer nur drinnen gewesen.

Eine Weile sprechen wir über CBD. „CBD-Tropfen – richtig gutes Zeug“, wie es in dem neuen Video von Deichkind heißt. Cannabidiol ist ein guter Hype und hoffentlich Türöffner für die ausstehende Cannabislegalisierung. L., die nicht kifft, findet CBD gut und berichtet von allerlei Gesundheitseffekten; ich nörgele ein bisschen, weil ich eher negativ bin, und erzähle von den Produkten der Berliner Firma „Bunte Blüte“; die es mittlerweile in vielen Spätis gibt. Kleine, unterschiedlich aussehende THC-freie Blüten in kleinen Tüten mit Namen wie „Tropical Hase“. Das Gramm für 12 Euro, also so viel wie gutes Gras bzw. Hasch und etwa 3.000-mal so teuer wie Kassler, obgleich es in der Herstellung billiger ist als Fleisch. Verrückte Welt!

Später gehen wir zu M. und gucken einen amerikanischen Männerfilm, der von bewaffneten Raufbolden handelt, die ein­ander totschießen. Nur wegen Geld! Verächtlich rufe ich häufig „Männer!“ Und will lieber was von Tarkowski sehen oder den neuen Godard oder die Addams Family. Weil ich gern an dem gleichnamigen Flipper gespielt hatte und weil Wednesday, die finstersympathische Tochter, ähnlich entschlossen guckt wie Greta, die Klimaaktivistin. Aber eigentlich habe ich kein Rederecht, weil ich zu selten bei den Filmabenden bin.

Ich sitze zum ersten Mal seit hundert Jahren in der Wiener Straße

Zufrieden angedichtet geh ich dann wieder. Vor dem Urban-Krankenhaus ist ein kleiner Rave; das sind vermutlich die jüngeren Patienten aus der Psychiatrie. Hätte ich ein Krankenhausbändchen, würde ich mich zu ihnen stellen. Zu Hause guck ich mir die Internetseite von Bunte Bluete an und freue mich über die Produktbeschreibungen: „Abbas würde seine Nachmittage bei einem veganen Eis am Kollwitzplatz genießen, wenn er den tropischen Duft dieser CBD Blüten in der Nase hätte. Aufwendig von Hand geschnittene fette Knollen, bei denen einem das Wasser im Mund zusammenläuft! (…) Süßlich-cremiges Aroma mit einer leichten Zitrusnote. Dichte Rauchentwicklung, dampft wie ein Nebelwerfer.“

Als die Energydrinks aufkamen, wurden sie auch mit den Wirkungen beschworen, die man Ecstasy bei seiner Markteinführung zugeschrieben hatte, fällt mir am Samstag ein. Später verliert, wie erwartet, mein Lieblingsverein. 179.700 Verfahren hatte es im letzten Jahr vor allem gegen Cannabis-Konsumenten gegeben, melden die DHV-News. Das ist Rekord. Jedes der Verfahren kostet über 100 Euro. Mit dem Geld könnte man ungefähr 6 Millionen Kilo Kassler kaufen.