Ein Traum in Blau

Er weiß, wie man die Bayern schlägt: Heute tritt Trainer Frank Schmidt mit dem 1. FC Heidenheim zum Pokalviertelfinale in München an

Göttliches Leuchten: Frank Schmidt, Trainer vom 1. FC Heidenheim, freut sich auf die Pokalpartie beim FC Bayern Foto: imago

Von Tobias Schächter

Wenn einer weiß, wie es sich anfühlt, als Außenseiter gegen den großen FC Bayern München zu gewinnen, dann ist das Frank Schmidt. 1994 war er Libero jener legendären Elf des TSG Vestenbergsgreuth, die die Bayern mit 1:0 aus dem DFB-Pokal warf. Schmidt muss dieser Tage oft von der Heldentat erzählen. Er ist Trainer des 1. FC Heidenheim, der an diesem Mittwoch im Viertelfinale des DFB-Pokals beim FC Bayern antritt. Das Spiel ist der Höhepunkt der Vereinsgeschichte, rund 10.000 Fans werden von der Ostalb an die Isar reisen, das Motto lautet „Alle in Blau!“ Und nicht nur mit der Farbe des Auswärtstrikots, die ja auch die des Münchener Lokalrivalen 1860 ist, wollen die Underdogs den Favoriten ärgern. Der gebürtige Heidenheimer Schmidt sagt: „Wenn die Bayern uns Chancen lassen, dann wollen wir sie auch unbedingt nutzen.“

Schmidt, 45, trainiert seit knapp zwölf Jahren seinen Heimatverein im knapp 49.000 Einwohner kleinen Städtchen an der Brenz, 30 Kilometer nördlich von Ulm gelegen. Wer Schmidt nach seinem ersten Spiel als Heidenheim-Trainer fragt, bekommt als Antwort: „Wir spielten in der Verbandsliga gegen Normannia Gmünd mit dem Trainer Alexander Zorniger. 200 Leute waren da – wir haben 2:1 gewonnen.“ Normannia Gmünd spielt immer noch in der Verbandsliga, Alexander Zorniger flog mittlerweile als Trainer beim VfB Stuttgart und bei Bröndby IF in Kopenhagen vorzeitig raus. Frank Schmidt trainiert noch immer in Heidenheim.

Aber aus dem Verbandsligisten Heidenheimer Sportbund ist längst der 1. FC Heidenheim geworden, der gerade seine fünfte Saison in der Zweiten Bundesliga spielt. Derzeit rangiert das Team auf Tabellenrang 6, nur vier Punkte hinter Union Berlin auf dem Relegationsplatz. Der Aufstieg in die Bundesliga ist eine Vision in den langfristigen Plänen des Klubs. „Nach oben geht es nicht im Fahrstuhl, sondern über die Treppe.“ Dieses Motto lieferte einst Rinaldo Riguzzi, ehemaliger Vorstandschef des Hauptsponsors und Medizinkonzerns Hartmann AG. Wie der Voith Konzern, Namensgeber des 15.000 Zuschauer fassenden Stadions, ist Hartmann Weltmarktführer in seinem Bereich.

Der Klub versteht sich als Projek­tionsfläche für die vielen Unternehmen auf der Ostalb. Die Sponsorenpyramide steht auf breiter Basis, über 500 Sponsoren unterstützen den Klub. Dabei wäre alleine die Wirtschaftskraft der Hartmann AG und des Voith Konzerns groß genug, um ähnlich schnell nach oben zu kommen wie Hoffenheim mit den Millionen von Dietmar Hopp. Doch in Heidenheim wollen sie den Klub Schritt für Schritt entwickeln. Zuletzt wurde stark in den Ausbau der Infrastruktur und in die Jugendarbeit investiert.

„Wir limitieren uns nicht vom Kopf her.“

Holger Sanwald, Vorstand beim 1. FC Heidenheim

Der Erfolg hat die Verantwortlichen nicht zu Getriebenen gemacht. Schmidt betont: „Wir haben intern einen extrem hohen Antrieb, hier wird nichts verwaltet.“ Und Vorstandsboss Holger Sanwald erklärt: „Wir limitieren uns nicht vom Kopf her.“ In Heidenheim denken sie groß, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Rund 3,5 Millionen Euro spülten die Pokalerfolge bislang in die Kassen des Klubs, mit nur 150.000 hatten sie kalkuliert. Mit dem Geld wollen sie die Lücke im Etat zu größeren Klubs in Liga 2 verringern.

Sanwald ist neben Schmidt das zweite Urgestein des 1. FC, er begann vor einem Vierteljahrhundert als Abteilungsleiter in der Landesliga. Beide sind bodenständige Draufgänger, die Stagnation nicht mögen. Nach langem Abstiegskampf in der vergangenen Saison änderten sie einige Dinge, Schmidt wechselte im Sommer die Co-Trainer aus, Sanwald ließ Vertragsverlängerungen mit alteingesessenen Spielern wie Kevin Kraus und Marcel Titsch-Ribeiro platzen. In Heidenheim wechseln sie Spieler aus, nicht den Trainer, wenn es nicht läuft. Schmidt hat Vertrag bis 2023.

Ewig da ist auch Marc Schnatterer, der alle Aufstiege von der vierten bis in die zweite Liga mitgemacht hat und mit 33 Jahren einer der Besten ist. Der Spätstarter ist Kult, nicht nur in Heidenheim, wo seine Mitspieler ihm zu Ehren bei einem Freundschaftskick gegen Hellas Verona mit „Schnatti-Masken“ aufgelaufen sind. Bayern-Verteidiger Mats Hummels nennt ihn „legendär“. So viel Vereinstreue weckt auch bei Weltmeistern fußballromantische Gefühle.