abgebändelt
: Rolle rückwärts

Man beneidet sie echt nicht, Hamburgs Feierabend-Parlamenta­rier*in­nen: Zielkonflikte, wo der Mensch hinsieht, die einen Wahlberechtigten wollen in der Stadt wohnen, die nächsten mögen Bäume und Eichhörnchen vor Fenster und Tür; Dritte finden, die Stadt kommt den Radfahrern zu sehr entgegen, und aus Sicht Vierter haben es diese von der Merkel eingebrockten Fremden immer noch viel zu gut bei uns.

Alles schrecklich unübersichtlich also, da hilft die Wende rückwärts, und die führt in dieser Stadt zuverlässig zu Helmut Schmidt. Oder gleich zu Fritze Schumacher, der war weniger soldatisch und hat sich auch 1977 die Finger nicht mehr schmutzig machen können. Nein, auf Hamburgs Baumeister-Meister kann sich bestens berufen, wer hier und heute eigene Ideen in Sachen Stadtentwicklung immun zu machen sucht gegen Kritik.

Da ist es kein Zufall, wenn in dieser Woche der derzeitige Oberbau­direktor-Amts­nachfolger, Franz-Josef Höing, dem Abendblatt gegenüber einen Schumacher’schen Fächerplan erwähnte; als „Korsettstangen der Stadt“ habe der damals die Magistralen angesehen.

An eben diesen Hauptstraßen nun, von Stadtentwicklungs-Amateur*innen doch allen Ernstes als unwirtlich verunglimpft, sollen ja, geht es nach Rot und Grün, jene unter den Hamburger*innen wohnen, die partout nicht mithalten mögen im Rennen um immer teurere Immobilien. Gestalten soll diese Kasernen künftiger Underperformer ein Bauforum, das war die Nachricht, die nun den Anlass stiftete für Höings Rolle rückwärts.

Wer ärmer ist, soll ruhig auch kränker sein, dank Lärm und Abgasen – das klingt nach Dickens, finden Sie, nach Kindern mit Rachitis und lichtfernem Hinterhof-Elend? Passt dann ja auch ganz gut zum Bild von den Korsettstangen. Alexander Diehl