Bundesrat fordert Nachbesserungen bei Bafög-Reform

Die Bundesländer wollen dieBafög-Sätze automatisch andie Lebenshaltungskosten koppeln

In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Bafög-Empfänger um 180.000 gesunken

Von Ralf Pauli

Einem zentralen Bildungsversprechen der Bundesregierung – dem Digitalpakt Schule – hat der Bundesrat am Freitag mit der Änderung des Grundgesetzes zugestimmt. Ein weiteres hingegen hält er offenbar für stark ausbaufähig: In einer gemeinsamen (ebenfalls am Freitag beschlossenen) Stellungnahme fordern die Bundesländer die Regierung auf, die geplante Bafög-Reform an verschiedenen Stellen nachzubessern.

So sollten die Bafög-Sätze nicht wie geplant stufenweise erhöht, sondern fortlaufend an die tatsächliche Preis- und Einkommensentwicklung gekoppelt werden. Eine Forderung, die auch BildungsexpertInnen, Gewerkschaften und Opposition aufstellen. Der Gesetzentwurf aus dem Bildungsministerium sieht bislang vor, die Beitragssätze bis 2020 um insgesamt 7 Prozent zu erhöhen. Der Bafög-Höchstsatz steigt demnach von derzeit 735 auf 861 Euro. Auch das Wohngeld soll sich von 250 auf 325 Euro erhöhen. Wegen der dramatischen Entwicklung der Mieten und Lebenshaltungskosten in vielen Städten gibt es jedoch Zweifel, dass diese Erhöhung ausreicht.

Weiter empfiehlt der Bundesrat, die Förderzeit für bestimmte Studierende zu verlängern, etwa für Schwangere oder Personen mit pflegebedürftigen Angehörigen. Bisher müssen Studierende „schwerwiegende Gründe“ wie eine Krankheit, die Mitarbeit in studentischen Gremien oder eine Behinderung nachweisen, um die Förderdauer verlängern zu können. Für eine Schwangerschaft wird derzeit ein Semester zusätzliches Bafög angerechnet.

Ferner will der Bundesrat auch jenen Studienanfängern Bafög gewähren, die vor der Festlegung auf einen bestimmten Studiengang an der Hochschule Orientierungskurse belegen. „Sehr viele junge Menschen haben zwar sehr ordentliche Leistungen im Abitur vorzuweisen und weisen auch durchaus den Wunsch und die Fähigkeit zu einem Studium auf, sind aber unschlüssig, was sie denn nun eigentlich studieren wollen“, begründet der SPD-Wissenschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Armin Willingmann, den Vorstoß. Er empfiehlt, ein Orientierungsstudium mit bis zu zwei Semestern zur Bafög-Förderdauer anzurechnen.

Ob und welche dieser Forderungen die Bundesregierung aufgreift, lässt sie bislang offen. Die Forderungen des Bundesrats sind nicht zustimmungspflichtig. Aus dem Bildungsministerium von Anja Karliczek (CDU) heißt es auf Anfrage, eine Gegenäußerung werde derzeit abgestimmt und danach vom Kabinett beschlossen. Anschließend werden dem Bundestag beide Stellungnahmen samt Gesetzentwurf vorgelegt.

Auch der Koalitionspartner hält sich weiterhin bedeckt. „Die SPD wird die Positionierung des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren sorgfältig prüfen“, sagt der bildungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek. Das oberste Ziel sei die mit der Reform angestrebte Trendwende. Im Jahr 2021 sollen wieder mehr Menschen Bafög erhalten als bisher.

In den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Bafög-EmpfängerInnen in Deutschland um 180.000 gesunken. Zuletzt erhielten 557.000 Studierende und 225.000 Schülerinnen und Schüler die staatliche Förderung. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD eine „Trendwende“ versprochen. Der Gesetzentwurf aus dem Bildungsministerium, den das Kabinett Ende Januar verabschiedet hat, sieht neben der Erhöhung der Beitragssätze auch erhöhte Freibeträge für Einkommen und Vermögen vor. Auch könnten AbsolventInnen, die wenig verdienen, künftig mehr Schulden erlassen werden als bisher.

Dass die Bafög-Reform in ihrer jetzigen Form die versprochene Trendwende bringen würde, hat der Bundesrat mit seinen Nachbesserungswünschen nicht gerade unterschrieben. Oder wie es SPD-Wissenschaftsminister Willingmann aus Sachsen-Anhalt diplomatisch formuliert hat: „Warten wir einmal ab!“