Aussicht trostlos

Die Mietpreisentwicklunghängt die Gewerkschaften ab

Von Volkan Ağar

Da könnte man schon mal die potentielle Zukunft der Mieter nachempfinden, sagte ein Gewerkschafter. Wie andere Besucher der bundesweiten Aktionswoche „Bezahlbar ist die halbe Miete“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) drängte er sich am Leopoldplatz bei starkem Regen unter einem kleinen Pavillon. Der Wind hatte den zweiten Pavillon da bereits umgefegt, mitgebrachte aufblasbare Couches waren auch pitschnass.

Als die Sonne sich dann doch durchsetzte, erklärte Christian Hoßbach, DGB-Vorsitzender von Berlin-Brandenburg, den Zusammenhang von sozialer Wohnfrage und Gewerkschaften: „Die Mieten steigen auf eine Weise, dass wir mit den Tarifverhandlungen gar nicht hinterherkommen.“ Man verfolgte gegenwärtige Debatten um Enteignungen und den Mietendeckel mit Interesse, sagte Hoßbach der taz – auch wenn es keine einheitlichen DGB-Positionen dazu gebe.

Warum jetzt auch noch Gewerkschaften über die Zukunft des Wohnens reden? Das ergibt sich aus der Faktenlage, die Lohnabhängige hart trifft: Während 80 Prozent der Berliner zur Miete leben, stiegen die Angebotsmieten hier innerhalb der letzten fünf Jahre um 30 Prozent, mancherorts, etwa in Berlin-Mitte, sogar um 42 Prozent. Besonders junge Menschen leiden darunter – Auszubildende, Berufseinsteiger oder Studierende. Ein Berliner WG-Zimmer koste durchschnittlich 407 Euro, nur 30 Prozent der Azubis könnten sich von der Vergütung ein Zimmer leisten, 41 Prozent der Berufseinsteiger erhielten zudem befristete Verträge, kritisierte Carolin Hasenpusch von der DGB-Jugend Berlin-Brandenburg: „Diese Menschen sind weit davon entfernt, auf eigenen Beinen zu stehen.“

Was „gewerkschaftliche Wohnungspolitik in der Praxis“ beutetet, erzählten daraufhin DGB-Mitglieder und Mietaktivisten aus verschiedenen Bezirken. Etwa Uwe Doering, Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Treptow-Köpenick und aktiv im Bündnis für den Erhalt bezahlbaren Wohnraums im Kosmosviertel, berichtete von den Kämpfen, die in der nicht unumstrittenen mutmaßlich 250 Millionen Euro teuren Kommunalisierung von 1.821 Wohnungen mündeten. In Richtung der Kritiker sagt er: „Fragen sie mal die Anwohner, was sie von der Kommunalisierung ihrer Wohnungen halten!“ – die nämlich seien nach der Übernahme durch die landeseigene Stadt und Land beruhigt.

Auf dem Leopoldplatz wurde auch diskutiert, was die Bezirke gegen Verdrängung tun können. Florian Schmidt, Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, sagte, dass man einen „radikalen und pragmatischen“ Umgang mit bereits bestehenden Instrumenten verfolgen und auch mal was Neues ausprobieren müsse – wie im Fall des „gestreckten Erwerbs“ in der Karl-Marx-Allee. Wichtig sei aber auch ein Ziel für das große Ganze. Konkret: einen Masterplan dafür, dass einmal 50 Prozent der Berliner Wohnungen in kommunaler Hand sein sollen.