Sagosen wird Zebra

Der klamme THW Kiel verpflichtet den norwegischen Nationalspieler Sander Sagosen. Der Vizeweltmeister soll den Zebras dabei helfen, nach längerer Durststrecke wieder an frühere Erfolge anzuknüpfen

Von Christian Görtzen

Zu einem Blockbuster gehört ein guter Trailer, der durch schnelle Schnitte, plakative Aussagen und packende Szenen punktet. Genau das haben sie sich auch beim deutschen Handball-Rekordmeister THW Kiel gesagt, ein Video produziert und dieses zusammen mit dieser erstaunlichen Pressemitteilung am Freitag auf der eigenen Homepage platziert.

Mit „Was für eine Nachricht!“ ist der 37-Sekünder betitelt. Film ab! Zunächst nur ein Wort: „Rechtshänder“. Danach ein Oberkörper, Arme, ein Ball in der Hand. „23 Jahre“ prangt als weiteres Textelement kurz auf, schließlich ist das entschlossen wirkende Gesicht von Sander Sagosen, dem großen Transfercoup, zu sehen. Denn das ist Nachricht: „Sander Sagosen“ und „Ab 2020 ein Zebra“. Ach ja, die übrigen Schlagworte: „1,95 Meter groß“, „Norweger“, „Vize-Weltmeister“.

Viktor Szilagyi, der Sportliche Leiter beim THW, zeigt sich euphorisch über den Wechsel: „Wir freuen uns riesig, und es macht uns sehr stolz, dass Sander sich für den THW Kiel entschieden hat.“ Der Stolz auf diesen Transfer zur Saison 2020/21, der vergleichbar ist mit der Verpflichtung von Nikola Karabatic 2005, ist gut nachvollziehbar. Anders als vor einem Jahrzehnt, als der THW Kiel als Verein und die deutsche Bundesliga als Spielklasse im internationalen Wettbewerb ganz vorne waren, hat sich einiges verändert.

Die „Zebras“, die früher reihenweise Trophäen einsackten, stellen nicht mehr das Nonplusultra dar. Die Rhein-Neckar Löwen und die SG Flensburg-Handewitt waren und sind erfolgreicher. In den vergangenen drei Jahren gelang Kiel nur ein Titelgewinn – 2017 im DHB-Pokal.

Und der Bundesliga sind zuletzt einige ihrer besten Kräfte abhanden gekommen, da Vereine wie Paris Saint-Germain (dank einer katarischen Investorengruppe) oder MKB Veszprem (Ungarn) ganz andere Gehälter aufrufen können und die Belastung in diesen Ligen nicht so hoch ist.

Der THW Kiel setzt mit dem Sagosen-Coup ein Zeichen: niemand soll den Verein als Kandidat für die erste Reihe im nationalen wie internationalen Wettbewerb abschreiben. Obwohl den Club nach dieser Saison, vor allem wegen der fehlenden Einnahmen aus der Champions League, ein Verlust im höheren sechsstelligen Bereich erwartet, hat sich die Führung gegen einen rigorosen Sparkurs entschieden. Stattdessen wurde mit einem gewissen Risiko in die Zukunft investiert.

Vor allem zwei Aspekte dürften dazu beigetragen haben: Mit Marko Vujin, der nur noch Reservist ist, wird der Top-Verdiener nach dieser Saison von der Gehaltsliste verschwinden. Zudem stehen die Chancen recht gut, dass der THW sich für die Champions League qualifiziert.

„Der THW Kiel ist ein großer Verein“, erklärte Sagosen. „Ich habe mich bewusst für diese neue Herausforderung entschieden und bin mir sicher, dass ich in Kiel einen neuen Abschnitt meiner Karriere einläuten werde.“ Die verzückten THW-Fans sehen sich urplötzlich in die guten, alten Zeiten versetzt, als die Besten der Besten wie selbstverständlich für Kiel spielten.