heute in hamburg
: „Sie langweilen sich buch­stäblich zu Tode“

Vortrag: „Lebenslänglich hinter Gittern: Zur Kulturgeschichte der Einrichtung ‚Zoo‘“, 19 Uhr, Bundesstraße 55, Geomatikum, Eintritt frei

Interview David Günther

taz: Herr Goldner, ist der Zoo ein Gefängnis für Tiere?

Colin Goldner: Ja, die Tiere werden dort für die Lebenszeit eingesperrt und dessen beraubt, was sie und ihr Wesen ausmacht.

Woher wissen Sie, dass es den Tieren nicht gut geht?

Sie leiden unter der Beengtheit. Selbst das größte Gehege ist kleiner als ihr natürlicher Lebensraum. Sie können sich nicht autonom und ihren Bedürfnissen entsprechend bewegen. Ein Elefant läuft viele Kilometer in der Natur. Im Gehege bewegt er sich ein paar Dutzend Meter. Darunter leidet er.

Wie ist es für Menschenaffen?

Sie verkümmern im Käfig. Menschenaffen sind kognitiv die höchststehenden eingesperrten Wildtiere und haben auch psychische Leiden. Sie langweilen sich buchstäblich zu Tode. Oft müssen sie mit Psychopharmaka behandelt werden, um die beengten Verhältnisse überleben zu können.

Warum haben Zoos so viel Zulauf?

Sie sind besonders besucherfreundlich. Vor allem das Angebot für Kinder ist groß. Es gibt große Spielplätze, damit sie sich wohl fühlen und Spaß haben. Das Wohlbefinden der Tiere ist nachrangig. In vielen Zoos sind die Unterhaltungsflächen größer als die Gehege der Tiere.

Warum wollen Menschen eingesperrte Tiere sehen?

Es ist eine Art Tradition. Meist gehen die Eltern mit ihren Kindern in den Zoo, weil sie es von deren Eltern kennen. Das ist ein roter Faden der Kleinkindpädagogik. In unserer Gesellschaft ist es verankert, dass man als Kind in einem Zoo sein musste.

Foto: Evelin Frerk

Colin Goldner, 65, Psychologe, Mitbegründer der Tierrechtsorganisation 4pawsnet und Autor des Buches „Lebenslänglich hinter Gittern“.

Denken Sie, dass die Gesellschaft die Probleme wahrnimmt?

Ja. Zoos stehen seit den 70er-Jahren unter massivem Rechtsfertigungsdruck. In dem Jahrzehnt wurde die internationale Konvention zum Handel von wild lebenden Tieren etabliert, der den Handel einschränkt.

Tragen die Zoos zum Artenschutz bei?

Nein. Zoos züchten den eigenen Bedarf nach. Seit der Konvention müssen sie das tun. Außerdem sind Tierbabys ein großer Publikumsmagnet. Davon abgesehen fungieren die Tiere auch als Tauschware. Beispielsweise bietet ein Zoo dem anderen einen Affen, dafür kriegt er drei Löwen. Die Auswilderungsprojekte, die in Richtung Artenschutz gehen könnten, sind marginal und rechtfertigen nicht die Gefangenhaltung der vielen anderen.