Bei Rassismus: Ball flach halten

Nach Übergriffen und Beleidigungen im Rahmen eines Amateur-Fußballspiels plädieren die Spieler des FC St. Pauli für Spielabbruch bei Eskalation. Der Fußballverband wiegelt ab

Soll künftig auch mit Spielabbruch unterstrichen werden: Der antirassistische Anspruch des FC St. Pauli und seiner Fans Foto: imago/Ulmer

Von Marco Carini

Die Botschaft ist eindeutig: „Jede Mannschaft hat das Recht auf Abbruch“, plädieren die Mitglieder der 4. Herrenmannschaft des FC St. Pauli dafür, einfach den Fußballplatz zu verlassen, wenn es zu Beleidigungen oder gar Übergriffen gegen Spieler und Betreuer eines Vereins kommt. Auslöser des Appells ist ein Vorfall vom vergangenen Sonntag beim Bezirksligaspiel des Teams gegen den Harburger Verein Zonguldakspor.

Dort sei, so heißt es in der Erklärung der Spieler, „einer unserer Spieler zu Boden getreten“ worden, wo er „weitere Tritte in den Rücken“ kassiert habe. Dem Co-Trainer Jörg S. sei durch einen Tritt „sein Sprunggelenk gebrochen“ worden – er musste ins Krankenhaus eingeliefert und operiert werden. Zudem hätten Spieler und Fans von Zongul-dakspor Teammitglieder des FC St. Pauli mit Begriffen wie „Nazi-Nigga, Kartoffel-Kanaken oder schwule Hurensöhne“ rassistisch und homophob beleidigt.

Trotz dieser Vorfälle setzten die St.-Pauli-Amateure das Spiel bis zum Abpfiff fort, kündigen nun aber per Facebook an: „In Zukunft setzen wir ein Zeichen auf dem Platz und werden solche Spiele abbrechen!“ Das zu tun, fordern die Kiez-Kicker auch alle anderen Teams auf, die Opfer von Übergriffen werden: „Brecht ab, bevor es eskaliert. (…) Schützt euch, das Team, die Fans und den Amateurfußball.“

Eine Empfehlung, die vom Hamburger Fußballverband sehr reserviert aufgenommen wird. Deren Geschäftsführer Carsten Byernetzki betont, dass jede „Mannschaft, die sich oder einzelne ihrer Spieler bedroht oder beleidigt sieht, das Recht hat, ein Spiel abzubrechen“. Ein Spielabbruch führe aber „in der Regel“ dazu, dass dem gegnerischen Team die Punkte zugesprochen würden. Im Einzelfall entscheide darüber ein Sportgericht.

Im Klartext heißt das: Das Team, deren Spieler oder Fans den Gegner beschimpft oder angegriffen haben, wird „in der Regel“ dafür sportlich belohnt – nur ein aufwendiges Verfahren kann das ändern. Regelungsbedarf sieht Byernetzki hier nicht: „Es ist alles geregelt.“Das sehen die Fußballer des FC St. Pauli anders und suchen den Weg in die Öffentlichkeit, damit solche Übergriffe „nicht in den unzähligen Sportgerichtsverhandlungen untergehen“.

Eine von diesen fand am Mittwochabend, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, statt. Dabei ging es um die Vorfälle beim Oberligaspiel Barmbek-Uhlenhorst gegen den Meiendorfer SC. Nach rassistischen Beleidigungen eines Barmbeker Fans hatten die Meiendorfer Spieler den Platz eine Viertelstunde vor Schluss verlassen. Barmbek droht nun zwar eine Platzsperre, den Meiendorfern aber eine Geldstrafe wegen Spielabbruchs.

Auch die Vorfälle vom vergangenen Wochenende dürften vor dem Sportgericht landen und werden von beiden involvierten Vereinen recht unterschiedlich bewertet. Zongul­dakspor teilte am Mittwoch per Facebook zwar mit, man habe „die Spieler, die an diesem Spieltag negativ aufgefallen sind (…), mit sofortiger Wirkung suspendiert und vom Spielbetrieb abgemeldet“, weist aber gleichzeitig „die Rassismusvorwürfe entschieden zurück“ und lässt jedes Wort der Entschuldigung vermissen.

Stattdessen bestreitet der Verein, dass die behaupteten Beleidigungen gefallen seien und wirft den St.-Pauli-Fußballern vor: „In Sachen Fairness besteht bei Ihnen ein großes Defizit“. Worin dieses genau besteht, führt der Verein aber genauso wenig aus, wie die genauen Gründe für die Suspendierung der Spieler, deren Verhalten das Vereins-Statement stark relativiert. Die Spieler der Amateurmannschaft des FC St. Pauli wollten sich aufgrund des anlaufenden verbandsrechtlichen Verfahrens am Mittwoch nicht öffentlich zu dem genauen Verlauf der Eskalation und den Gegenvorwürfen von Zongul­dakspor äußern.