VW will bloß kein Urteil

Konzern zahlt lieber, als eine Grundsatz-entscheidung zu riskieren

Bei der juristischen Auseinandersetzung über manipulierte Dieselfahrzeuge sind grundsätzlich Klagen gegen die Händler von Klagen gegen den Hersteller Volkswagen zu unterscheiden. Sie beruhen auf unterschiedlichen Ansprüchen.

Bei Klagen gegen Händler hat der Dieselkäufer einen Vertrag mit dem Verkäufer. Wenn der Verkäufer eine mangelhafte Ware liefert, kann der Käufer Gewährleistung verlangen. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) vorige Woche in einem Hinweisbeschluss feststellte, ist ein Wagen mit manipulierter Abgassteuerung mangelhaft (siehe Kasten).

Der Käufer kann deshalb Nachbesserung des Fahrzeugs oder (wenn dies nicht unverhältnismäßig ist) die Nachlieferung eines mangelfreien Neuwagens fordern. Hier ist noch umstritten, ob das von VW angebotene Software-Update als Nachbesserung ausreicht. Falls der Händler sich weigert, nachzuerfüllen, kann der Käufer den Kaufpreis mindern, vom Kaufvertrag zurücktreten oder Schadenersatz verlangen.

Die Gewährleistung gilt nur zwei Jahre ab Kauf. Neue Klagen gegen Händler sind daher nicht mehr möglich.

Anders sieht es bei Klagen gegen VW aus: Der Käufer hat in der Regel keinen Vertrag mit dem Hersteller. Wenn VW den Käufer aber durch ein Delikt – das heißt eine unerlaubte oder sittenwidrige Handlung – geschädigt hat, dann hat der Käufer einen „deliktischen Anspruch“ gegen den Konzern. Er kann dann Schadenersatz von VW verlangen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat Mitte Februar eine solche Klage gegen VW abgelehnt, aber die Revision zum BGH zugelassen. Das OLG Köln nahm im Januar eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW an.

Außerdem hat der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Musterfeststellungsklage gegen VW eingereicht. Von deren Ausgang können 407.000 VW-Käufer profitieren, die sich ins Klageregister eingetragen haben. Über diese Klage entscheidet zunächst das OLG Braunschweig und in nächster Instanz der BGH.

Es ist umstritten, ob deliktische Ansprüche gegen VW Ende 2018 verjährt sind oder erst Ende 2019 verjähren werden. Umstritten ist auch, ob jetzt noch ein wirksamer Beitritt zur Musterfeststellungsklage möglich ist.

Bisher hat VW versucht, ober- und höchstgerichtliche Urteile zu verhindern, indem der Konzern mit entsprechenden Klägern Vergleiche schloss; auch bei Klagen gegen Händler. Die klagenden Käufer haben dabei vermutlich alles bekommen, was sie forderten – und noch etwas mehr, damit sie über den Deal schweigen.

Christian Rath