Sven Hansen zu den Spannungen zwischen Indien und Pakistan
: Im selbst geschaffenen Dilemma

Nach dem schweren Terroranschlag im indischen Teil Kaschmirs, bei dem letzte Woche Dutzende Sicherheitskräfte umkamen, hat Indiens Premierminister Narendra Modi seinem Militär freie Hand für Vergeltungsmaßnahmen gegeben. Seine Regierung macht Pakistan, vor allem den von der Regierung nicht kon­trol­lier­ten Militärgeheimdienst ISI, für den Terror verantwortlich. Zum Glück waren Indiens Generäle bisher so vernünftig, nicht gleich loszuschlagen. Das Risiko einer unkontrollierbaren militärischen Eskalation zwischen den beiden Atommächten dürften sie nur zu gut kennen.

Modi steckt jetzt in einem Dilemma, zu dem er und seine Hindu-Nationalisten selbst beigetragen haben. Zu Oppositionszeiten hatten sie der damaligen Regierung in ähnlichen Fällen stets Schwäche gegenüber Pakistan vorgeworfen und mit scharfer Rhetorik den Eindruck erweckt, dass sie selbst nicht lange fackeln würden, um Pakistan zu strafen. Doch jetzt lässt sich zum einen die (Mit-)Täterschaft Islamabads vielleicht doch nicht so einfach beweisen, zum anderen dürften sich die von Modi reklamierten Entwicklungsfortschritte Indiens im Kriegsfall schnell in Schutt und Asche verwandeln.

Jeder vernünftige Mensch weiß, dass der schon Jahrzehnte schwelende Konflikt um Kaschmir, der schon mehrfach zum Krieg geführt hat, nur durch beidseitige Anerkennung des Status quo, also die Verwandlung der Waffenstillstandslinie in eine Staatsgrenze, gelöst werden kann. Dies könnte zugleich die Grundlage für einen Handelsboom und Austausch sein.

Doch auf beiden Seiten stehen dem das jeweilige Staatsverständnis entgegen (Pakistan als Heimat der Muslime, Indien als säkularer und damit auch Muslime einschließender Staat) sowie Kräfte, die an der Pflege des Bildes vom Erzfeind interessiert sind. Solange Letzteres der Fall ist und mit feindlicher Rhetorik gegen den Nachbarn Wahlkampf gemacht wird, wird der Konflikt fortdauern. Zu hoffen bleibt, dass die angedrohte Vergeltung nur symbolisch ist – und in letzter Konsequenz kühle Köpfe dominieren.