Winternotprogramm nicht für alle

Die Linke kritisiert, dass Obdachlose wegen mangelnder Mitwirkung abgewiesen und weggeschickt werden

„Wenn man sich dem konsequent verweigert, ist es unter Umständen auch mangelnde Mitwirkung“

Martin Helfrich, Sprecher Sozialbehörde

Von Friederike Gräff

Die Linke kritisiert, dass immer mehr obdachlose Menschen aus dem Winternotprogramm weg in die Wärmestube verwiesen würden. Laut Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linke-Fraktion wurden in den Monaten November und Dezember 2018 187 Obdachlose an die Wärmestube weitergeschickt. In 55 Fällen geschah dies, weil es Selbsthilfemöglichkeiten im Herkunftsland gegeben habe, in 126 Fällen wegen mangelnder Mitwirkung der Betroffenen.

Letzteres ist laut Cansu Özdemir, der sozialpolitischen Sprecherin der Links-Fraktion, neu. Vor dem Hintergrund, dass das Winternotprogramm ein „anonymes, niedrigschwelliges Angebot sein sollte“ sei die Begründung „nicht nachvollziehbar“. Für sie ist es „skurril“, dass die Hilfesuchenden etwa an Beratungen teilnehmen müssten.

Das relativiert der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich. Die Teilnahme an einer Beratung sei „kein direkter Zwang“, sondern lediglich eine „Erwartung“. Aber: „Wenn man sich dem konsequent verweigert, ist es unter Umständen auch mangelnde Mitwirkung“. Schließlich gehe es darum, den Obdachlosen Menschen eine Perspektive für ein anderes Leben aufzuzeigen, statt den gegenwärtigen Zustand zu verewigen.

Weiterhin kritisiert die Linke, dass Obdachlose mit Verweis auf die Verwandtschaft zu bereits bekannten Familien mit Selbsthilfemöglichkeiten frühzeitig Rückkehrangebote erhalten hätten. „Seit wann ist die Familienzugehörigkeit ein Indiz für eine Wohnmöglichkeit oder finanzielle Unabhängigkeit“, kritisiert Özdemir. Demgegenüber erklärt Helfrich, dass es um Fälle gehe, wo eine Familie gemeinsam ins Winternotprogramm gekommen sei, der man Selbsthilfemöglichkeiten attestiert habe und danach eines der Familienmitglieder noch einmal einzeln erschien. Die Linke will nachhaken, wie die Anonymität der Schutzsuchenden gewährleistet werden könne.