Sie brach Regeln, die sie nicht kannte

Voilà Agnès Varda. Neunzig Jahre alt, putzmunter. In ihrem neuen Film „Varda par Agnès“ erzählt die Filmemacherin nicht von ihrem Leben, sondern von ihrem Werk (Wettbewerb)

Agnès Varda zeigt, erklärt, deutet. Als Meisterin, die sie ist, beherrscht sie auch ihr eigenes Werk Foto: Cine Tamaris

Von Ekkehard Knörer

So kann man auch mal anfangen: Danksagungen und Listen von Namen zu filmischen Taten ganz nach der Art, wie sie sonst im Abspann erscheinen, wenn außer den wirklichen Fans schon keiner mehr guckt. Minutenlang fängt „Varda par Agnès“ so an. Alle noch wach, Aufmerksamkeit, wem sie gebührt, man erhascht Namen wie den des Komponisten Michel Legrand, der Ende Januar starb. Wirklich wundern muss man sich nicht, das ist Varda, wie man sie kennt: Freundlich und bestimmt stellt sie aus Eigensinn und mit gutem Grund die Konvention auf den Kopf.

Für das, was fast zwei Stunden lang folgt, kann man das nur sehr eingeschränkt sagen: Dass Varda für den Blick zurück auf ihr eigenes Werk die Methode Frontalunterricht wählt, hätte man auch nicht gedacht. Da sitzt sie, von hinten gefilmt ein Regiestuhl, auf einer Bühne, es ist diejenige der Pariser Oper zunächst.

Man sieht erst das Publikum, dann aber übernimmt die Kamera den Publikumsblick. Voilà Agnès Varda. Neunzig Jahre alt, putzmunter, die vertraute Frisur mit eisgrau oben und dann dunkelrot. Sie beginnt zu erzählen, aber nicht von ihrem Leben, sondern von ihrem Werk. Die Schauplätze wechseln. Sie sitzt und erzählt in einem Kino, auf einer Bühne im Freien der Fondation Cartier, die zu den Finanziers des Films und zu den Auftraggebern von Vardas Werken der bildenden Kunst – der „visual arts“, wie sie selbst lieber sagt – zählt. Die Vielzahl der Bühnen, die Nahtlosigkeit, mit der der Schnitt die eine Erzählung, die eine Agnès an die andere fügt, zeigen, mit welcher Übung und Routine Varda, die Filmkünstlerin, über ihr Werk zu sprechen gelernt hat.

Manches ist zur Formel geronnen, die drei Wörter „Inspiration, Kreation, Mitteilung“ etwa, die für sie ihre Arbeit ausmachen. Varda zeigt, erklärt, deutet, als Meisterin, die sie ist, beherrscht sie auch ihr eigenes Werk.

Es geht nicht chronologisch voran, auf den Film-Erstling „La Pointe Courte“ von 1955 kommt sie erst mittendrin, dann gegen Ende noch einmal. Sie hatte das Filmemachen nicht gelernt, sie filmte einfach drauflos, tat, was ihr richtig erschien, brach Regeln, die sie nicht kannte. So erklärt sie das selbst. Sie erzählt von der Zeit in Hollywood, ihrem Film über die Black Panthers. Keinen Zweifel lässt sie an ihrem feministischen Credo, natürlich kommen die Klassiker vor, „Cleo – Mittwoch zwischen fünf und sieben“ und „Das Glück“. Mit Liebe und Trauer blickt sie auf „Jacquot de Nantes“, die faszinierende Hommage an ihren sterbenden Mann, den Filmemacher Jacques Demy. Persönlich wird sie sonst selten.

Sie setzt sich mit Sandrine Bonnaire, der Hauptdarstellerin des kühnen Films „Vogelfrei“ von 1982, auf Kameraschienen in ein Feld, die beiden erinnern sich an den Dreh, Varda erklärt die Struktur des Films mit seinen 13 sturen Kamerafahrten von rechts nach links. So geht das immer wieder auf schöne Weise ins Detail, eine Meisterinnenklasse über das Filmemachen ist der Film auch. Nach der Hälfte ungefähr ist Varda erst einmal durch mit den Filmen, geht an die Anfänge zurück, als Fotografin, für das Theater zunächst, schlägt dann einen Bogen zu ihrer späten Karriere in der bildenden Kunst, zu den intimen Digitalkamerafilmen, mit Kartoffeln und Stränden.

All das stets, von Ausschnitten unterstützt, von ihr selbst moderiert, gelegentlich als Gespräch inszeniert. Gewiss, man lernt was, man erinnert sich gerne, aber der typische Varda-Eigensinn fehlt. Ein bisschen schade, nicht schlimm, nur im Wettbewerb der Berlinale hat das (auch außer Konkurrenz), bei aller Bewunderung für die große Agnès Varda, eher nichts verloren.

14. 2., 9.30 Uhr, Friedrichstadt-Palast, 14. 2., 18 Uhr, Friedrichstadt-Palast, 14. 2., 22.30 Uhr, International, 15. 2., 21 Uhr, City Kino Wedding