Übersetztes Sehnen

Mit Heinrich Reinhold würdigt die Kunsthalle einen weiteren italienverliebten Goethe-Zeitgenossen. Befreundeten Kollegen galt er als Bester der Zunft

Schön, oder? Heinrich Reinholds „Der Watzmann“ (1818) Foto: Jörg P. Anders/Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

Von Alexander Diehl

Man muss es vielleicht nicht, aber man kann von schwierigen Zeiten sprechen in der Kunsthalle, noch dazu im Jubiläumsjahr. Das tat neulich auch dieser neue alte Bildungsbürgerwochenblattlokalteil, ein wenig irrlichternd vielleicht und mit bemüht wirkenden Bezügen auf die Elphi, deren Hinzutreten den anderen Hamburger Kulturinstitutionen die Planungen durcheinandergewirbelt haben soll, so war es wohl gemeint. Dahingestellt, wie viel dran ist an der These, dass, wer die Aussicht vom Konzerthaus genießen kann, das Museum schnöde meidet – das zu klären: eine schöne Aufgabe für werdende Kulturmanager und -innen.

Einem Publikum aber, das so tickte, also übers eigene Zeit-, aber auch Eintrittsgeldbudget verfügte nicht entlang inhaltlicher Linien – einem solchem Publikum äußerst angemessen könnte man diese Ausstellung finden, im Dezember noch eröffnet im Beisein des damaligen Kunsthallen-Direktors Christoph Martin Vogtherr, der kurz danach in Richtung preußischer Glorie entschwand: Schon wieder so ein italienverliebter Landschaftsmaler, frühes 19. Jahrhundert, von dem man am Glockengießerwall „über einen zentralen Bestand verfügt“, so schreiben es Vogtherr und Wolfgang Holler von der Klassik-Stiftung Weimar im Ausstellungskatalog.

Die Stiftung ist, neben weiteren Leihgebern, die wichtigste Beteiligte, rein zahlenmäßig wichtiger als das Hamburger Haus: 28 Arbeiten kommen nun aus Weimar, zwölf aus Hamburg. Dass die Ausstellung nun nur hier zu sehen ist, aber nicht dort, das geschehe „aus baulichen und vor allem aus finanziellen Gründen“. Zusammengearbeitet haben Kunsthalle und Klassikverwahrer dabei schon wiederholt, unter anderem für die Jakob-Philipp-Hackert-Ausstellung vor ziemlich genau zehn Jahren.

Die wiederum, noch so ein Sinnstiftungsstrang, ist nach heutiger Hausgeschichtsschreibung der Auftakt gewesen zu einer Trilogie „zu Europas Landschaftsmalern der Goethezeit“, fortgesetzt dann durch die Beschäftigung mit Johann Christian Reinhart (2012) und Franz Ludwig Catel (2015) – den nun noch bis Anfang März zu sehenden Reinhold macht das nun zum vierten Teil, wo eigentlich nur drei wären.

Der Weimarer Stiftung ist der Mann schon räumlich nahe: geboren 1788 in Gera, gestorben mit gerade mal 36 Jahren in Rom, Spross einer thüringischen Künstlerfamilie, studiert in Dresden und Wien, von wo aus er für fünf Jahre nach Paris ging; dann wieder nach Wien und schließlich nach Italien.

Wie gelangen davon nun nennenswerte Bestände an die Alster? Und, mal abgesehen von solchen eher technischen Gründen dafür, ihn nun umfänglich auszustellen: Was genau ist da jetzt zu sehen? Von einem bemerkenswerten „Zusammenspiel von differenziertem Kolorit, ausgeglichener Bildkomposition und wohlinszenierter Lichtführung“ schreibt Nadine Brüggebors im Ausstellungskatalog; Reinholds „Ölskizzen vom Felsennest Olevano unweit Roms und seine Bilder vom Watzmann-Massiv gehören zum Schönsten, was die deutsche Landschaftsmalerei hervorgebracht hat“, urteilte Peter Engel im Online-Kulturmagazin „Titel“: Zeitgenössische Künstlerkollegen hätten den tragisch früh Dahingeschiedenen als „begabtesten ihrer Zunft“ angesehen. Von einem „Meister“ schließlich sprach man bei der Pressebesichtigung.

Nun ist diese Meisterschaft eine – fürs nicht fachkundige Publikum – vermittlunsgbedürftige. Das ist nicht schlimm, das ist unter den Aufgaben so eines Museums ja sogar eine der nobleren, im Unterschied etwa zum Generieren von Fremdenverkehrsrekorden. Und es lässt sich bestens schwelgen in Reinholds Landschaften, die so archetypisch wirken, als hätte da einer eine kollektive (und, ja: sehr deutsche) Sehnsucht nach dem Süden, einem hochgradig imaginierten freilich, eingefangen.

„Heinrich Reinhold. Der Landschaft auf der Spur“: bis 10. 3., Kunsthalle