Hetzer im Westen erfolgloser

Dass rechtsextreme Gruppen, oftmals im Verbund mit Politikern der AfD, versuchen, Straftaten, an denen mutmaßlich Flüchtlinge beteiligt sind, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, kann man seit einigen Jahren in Ost- wie Westdeutschland beobachten.

In dieser Woche begann der Prozess gegen zwei Afghanen, die für den Tod eines Mannes in Köthen im Jahr 2018 verantwortlich sein sollen. Der Vorfall hatte die Stadt in Sachsen-Anhalt, ähnlich wie Kandel im Herbst vergangenen Jahres, wochenlang zum Schauplatz rechter Proteste gemacht. Dabei konnten Rechtspopulisten und Rechtsextreme mehrere Tausend Menschen mobilisieren.

Für bundesweite Debatten hatten auch die tagelangen Proteste mit rassistischen Parolen und Gewalt gegen ausländisch aussehende Personen in Chemnitz gesorgt. Nach dem mutmaßlichen Mord an einem 35-Jährigen am Rande eines Stadtfests kam es tagelang zu rassistisch geprägten Kundgebungen mit Tausenden Teilnehmern. Dazu aufgerufen hatten unter anderem die AfD-Landesverbände Thüringen und Sachsen sowie das rechtsextreme Pegida-Bündnis. Über die Vorgänge in Chemnitz stolperte letztlich auch der frühere Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. Er hatte die Einschätzung der Bundesregierung angezweifelt, dass es in Chemnitz zu Hetzjagden gekommen sei.

Die mehr als ein Jahr sich wiederholenden Protestzüge im pfälzischen Kandel sind aber im Osten wie im Westen eine unrühmliche Ausnahme. Insgesamt fällt es den rechten Bewegungen im Westen offenbar schwerer, nach solchen Ereignissen genug Unterstützer auf die Straße zu bekommen.

2016 versuchte die rechte Szene, den Mord an einer Studentin in Freiburg durch einen ausländischen Täter für ihre Zwecke zu nutzen. Doch zu einer Demonstration kurz nach der Festnahme des Täters kamen nur etwa 15 AfD-Anhänger, denen 300 Gegendemonstranten gegenüberstanden. Auch kleine Kundgebungen beim Prozessauftakt gegen den inzwischen verurteilten Täter blieben Randerscheinungen.

Im Herbst 2018 vergangenen Jahres wiederholte die AfD in Freiburg ihre Strategie. Hintergrund war dieses Mal die Vergewaltigung einer 18-Jährigen Studentin durch eine mehrheitlich ausländische Männergruppe. Dieses Mal standen nach Polizeiangaben 500 Rechte 1.500 Gegendemonstranten gegenüber. Es blieb bei diesem einmaligen Vorfall.

Auch im baden-württembergischen Offenburg gelang es den Rechten nicht, ihren Protest dauerhaft zu etablieren. Nach der Tötung eines Arztes durch die Messerattacke eines Somaliers rief die AfD im August 2018 zu einer Mahnwache auf. Worum es den Rechts­populisten tatsächlich ging, erklärte damals der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple, der die Proteste initiiert hatte, gegenüber der Badischen Zeitung überraschend deutlich: „Es geht hier nicht um einen toten Arzt, es geht hier um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.“ Zu den Protesten kamen rund 300 Demonstranten zusammen, ebenso viele protestierten gegen die AfD.

Der AfD-Kandidat für die Wahl zum Offenburger Oberbürgermeister, Ralf Özkara, machte die Tötung anschließend zum Wahlkampf­thema. Das Ergebnis war für die AfD enttäuschend: Özkara erhielt lediglich 5,4 Prozent der Stimmen. Benno Stieber