Der Größenwahn der chinesischen Führungsriege

Im Weltall, auf der Straße, im virtuellen Raum: High-Tech-Produkte aus China lauern überall

Aus Peking Felix Lee

Eigentlich müsste China feiern. Denn das hatte schließlich noch keine Nation geschafft: die Landung einer Sonde auf der Rückseite des Mondes. Weil keine direkte Funkverbindung zu der von der Erde abgewandten Seite des Erdtrabanten möglich ist, gilt ein solcher Schritt als technisch extrem aufwendig. Chinesische Ingenieure haben es dennoch geschafft.

Doch ausgerechnet die chinesische Führung selbst wies die Staatsmedien an, mit der Mondlandung nicht zu sehr zu prahlen. Der Grund ist der Handelsstreit mit den USA. Die Vereinigten Staaten werfen China unfaire Handelspraktiken vor, etwa die starke Subventionierung seiner Unternehmen zum Nachteil der Konkurrenz im Rest der Welt. Was der Regierung unter US-Präsident Donald Trump vor allem ein Dorn im Auge ist: Chinas rasante technologische Fortschritte. Um Trump nicht noch mehr zu erzürnen, ist die kommunistische Führung derzeit daher um mehr Bescheidenheit bemüht.

Chinas Erfolg in der Raumfahrt ist nur ein weiterer Beleg für die technologischen Fortschritte der letzten Jahre. Bei Hochgeschwindig­keitszügen, bei der Elektromobilität, Industrierobotern und medizinischen Geräten nehmen die Chinesen bereits Spitzenplätze ein.

Doch damit will sich die Führung keineswegs zufriedengeben. Bereits vor drei Jahren rief der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping die industriepolitische Strategie „Made in China 2025“ aus. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen 70 Prozent der im eigenen Land genutzten High-Tech-Produkte auf heimischem Boden hergestellt werden. Und spätestens Mitte des Jahrhunderts soll China in sämtlichen Schlüsselindustrien an der Weltspitze stehen.

Das klingt absolut größenwahnsinnig, darf aber nicht unterschätzt werden. Als 2012 die Führungsriege verkündete, die Wirtschaftsleistung des Landes bis 2018 verdoppeln zu wollen, glaubten ihr ebenfalls viele nicht. Im Vergleich zu 2008 hat sich Chinas Wirtschaftsleistung aber sogar verdreifacht. Eine geschickte Mischung aus finanzieller Unterstützung des Staates und dem Ausbau der Forschung hat zu diesem Wachstum beigetragen.

Die Führung in Peking will dafür auch in den nächsten Jahren noch mehr Geld in die Hand nehmen. Allein für die Branche, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet, will sie mehr als 150 Milliarden Dollar in die Forschung stecken. Zudem sind für den gesamten Hochtechnologiesektor über 1 Billion Dollar vorgesehen. Das US-Magazin Forbes zitiert Experten, denen zufolge die Chinesen in der Entwicklung künstlicher Intelligenz längst auf der Überholspur sind.

Diese Politik lockt längst auch Fachkräfte aus anderen Teilen der Welt in die Volksrepublik. Siemens etwa ist derzeit dabei, seine Forschung für autonome Robotik in China zu bündeln. Forschung finde zwar weltweit statt, betonte Siemens-Vorstandsmitglied und Technikchef Roland Busch vor rund einem Jahr bei der Vorstellung seiner Pläne. Aber eine Stelle müsse „den Hut aufhaben“. Bei der Robotik werde dies künftig von Peking aus geschehen.

Die Bundesregierung hat zwar erkannt, wie stark die chinesischen Akteure mit einem mächtigen Staat im Rücken sind. Die von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) jüngst beschlossene Förderung der KI mit 3 Milliarden Euro ist im Vergleich absolut gering. So viel gibt allein die Stadt Peking für den Bereich künstliche Intelligenz aus.