Mehr Recycling, weniger Plastikstrohhalme

EU verbietet Wegwerfartikel wie Einweggeschirr, Fastfood-Kartons und Wattestäbchen. Hersteller müssen stärker an den Kosten der Abfallentsorgung beteiligt werden

Haben bald Sammelstatus: Plastik­strohhalme Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Von Heike Holdinghausen

Die EU schafft einen europäi­schen Markt für Recyclingplastik und beteiligt die Indus­trie stärker an den Kosten der Entsorgung ihrer Produkte. Laut der neuen EU-Einwegplastik-Richtlinie müssen PET-Flaschen ab 2025 zu mindestens 25 Prozent aus Recyclingmaterial bestehen, ab 2030 sind 30 Prozent vorgeschrieben.

Zudem macht die Richtlinie neue Vorgaben für die Müllsammlung. Sie legt fest, dass die Mitgliedsstaaten die Hersteller von Einwegplastik stärker an den Kosten der Abfallsammlung und -entsorgung beteiligen müssen. So müssen die Produzenten kunststoffhaltiger Tabakfilter – laut EU der zweitgrößte Posten weggeworfener Plastikartikel – öffentliche Sammelsysteme mitbezahlen, etwa Mülleimer. Bis 2025 sollen außerdem insgesamt 77 Prozent aller Trinkflaschen aus Einwegkunststoffen in der EU getrennt erfasst werden, bis 2029 dann 90 Prozent.

Die Vorgabe ist Teil der EU-Richtlinie für Einwegplastik, auf die sich EU-Parlament, Kommission und Rat gestern in Brüssel geeinigt haben. Sie stärkt das Recycling, setzt aber auch auf Verbote. Die Liste ist bekannt, seit die EU-Kommission Anfang des Jahres ihre Strategie gegen Plastik auf den Weg gebracht hat. Betroffen von dem Verbot, das ab 2021 gelten soll, sind alle möglichen Alltagsgegenstände aus Kunststoff: Einweggeschirr und -besteck, Luftballon- und Wattestäbchen, Strohhalme, Fastfoodkartons und so weiter.

Plastics Europe, der Verband der Kunststoffindustrie, zeigte sich am Mittwoch resigniert in der Defensive. Verbote seien nicht zielführend. Vielmehr müssten „europaweit nachhaltige Sammel- und Verwertungslösungen für Kunststoffabfälle“ etabliert werden und müsse „beim Verbraucher ein Bewusstsein für den schonenden Umgang mit Ressourcen aller Art“ geschaffen werden.

Umweltbildung ist allerdings ebenfalls Bestandteil der Richtlinie. Beispielsweise müssen Packungen von feuchten Wischtüchern für die Körperpflege oder den Haushalt entsprechend gekennzeichnet werden. Die Käufer sollen erkennen können, ob die Tücher Kunststoffe enthalten und ob sie der Umwelt schaden, wenn sie nicht in einen Mülleimer geworfen werden.

Es klingt wie ein großer Wurf, ist aber nicht mehr als ein richtiger Schritt

Das alles klingt nach einem großen Wurf. Aber es ist für ­Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) erst mal nur ein „guter, erster Schritt“. Nötig seien Mengen­vorgaben für den Einsatz von Recyclingmaterial auf breiter Ebene. „Wir brauchen das in Verkaufs- und Transportverpackungen und in Elektroartikeln“, sagt der Ressourcenexperte der DUH. Viele Hersteller hätten noch immer Vorbehalte gegen Recyclingmaterial. Außerdem sei Erdöl als fossiler Primärrohstoff viel zu billig, weshalb sich der Einsatz von Sekundärrohstoffen oftmals finanziell nicht lohne. Mehr Recyclingmaterial in Produkten einerseits, eine verbesserte Recyclingfähigkeit von Produkten andererseits – diese Punkte müssten in der EU-Ökodesign-Richtlinie festgeschrieben werden, so Fischer. „Wir müssen die Recycling­kreisläufe von Plastik und Ökodesign zusammen denken“, so Fischer.

Abgesehen davon sei es wichtig, Abfall zu vermeiden. „Wir müssen Mehrwegsysteme erhalten und aufbauen, Produkte lange nutzen und häufiger reparieren“, so Fischer. Ähnlich kritisierte der Naturschutzbund NAabu, dass die Richtlinie „keine verbindlichen Reduktionsziele für den Verbrauch von To-go-Verpackungen und Einwegbechern, die das EU-Parlament ursprünglich gefordert hatte“, enthalte. Der Verband der Kommunalen Unternehmen lobte vor allem die erweitere Herstellerverantwortung. Zigarettenkippen sorgten in den Städten für einen enormen Mehraufwand und hohe Kosten der Straßenreinigung, teilte der VKU mit. Nach Berechnungen der Hamburger Stadtreinigung landeten täglich 137 Millionen Zigarettenkippen auf Deutschlands Wegen und Straßen, die von den städtischen Entsorgungsunternehmen beseitigt werden müssten. Die Städte, mit der Entsorgung des Einweg­plastiks direkt konfrontiert, ergreifen ohnehin schon zahl­reiche Initiativen. Dresden, München, Düsseldorf und Hannover zum Beispiel verbieten per Abfallsatzung schon jetzt Einwegprodukte in städtischen Veranstaltungshallen und auf Friedhöfen. Der Stadtrat von Tübingen entscheidet am heutigen Donnerstag über eine Steuer auf Einwegverpackungen etwa für Kaffee oder Fastfood.

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