Konzertempfehlung für Berlin: Sanfte Januarbrise aus Lusafrica

Mayra Andrades Musik ist eine spezielle afro-franco-lusophone Melange. Am Freitag stellt die Sängerin ihr fünftes Album „Manga“ im Gretchen vor.

Mayra Andrade hat Wurzeln in Havanna und auf den Kapverden. Foto: Naim De La Lisiere

Erst vor einem halben Jahr war die weltgewandte Kapverdianerin Mayra Andrade in Berlin zu erleben – beim Wassermusikfestival gemeinsam mit dem Brasilianer Gilberto Gil unter sommerlich heißem Himmel. Wenn sie nun mit eigener Band die Stadt erneut beehrt, wenige Wochen vor ihrem 34. Geburtstag, hat sie dem hiesigen unwirtlichen Wintergrau des gerade angebrochenen Jahres wahrlich einiges entgegenzusetzen mit ihren sinnlich-warmen Songs.

Einige von denen, die man am allerersten 2019er Januarfreitag, bei einem von nur zwei Deutschlandkonzerten ihrer aktuellen Tour, zu hören bekommt, werden sicherlich aus ihrem bald erscheinenden, fünften Album „Manga“ sein. Tropisch-saftig nicht nur der Name, der für die Mangofrucht steht im Kreol ihrer Heimat. Doch was heißt schon Heimat bei einer Nomadin, die, 1985 in Havanna geboren, die ersten Kindheitsjahre in Praia verlebte, der Hauptstadt der Kapverden, woher ihre Eltern stammen.

Im Alter von sechs Jahren von Mutter und Diplomatenstiefvater in den Senegal verpflanzt, später noch nach Angola und Deutschland, kehrte die inzwischen 14-Jährige zurück auf die Kapverden, um dort ihren Kurs als Sängerin aufzunehmen. 2003 landete sie in Paris, ihrem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt bis heute, an dem sie im Handumdrehen von sich reden und bald auch international Karriere machte.

Geografisch und stilistisch entsprechend entgrenzt sind – in textlicher wie musikalischer Hinsicht – Mayra Andrades Songs. Sie intoniert ihre poetisch-nachdenklichen Betrachtungen von Ferne, Heimat, Liebe & Leid mit suggestiver, dabei doch so unpompöser, naturbelassen-taufrischer Stimme.

Mayra Andrade: Gretchen, Obentrautstraße 19/21, 4. 1., 19.30 Uhr, Tickets 22–26 €

Die fließt im kapverdischen Kreol und auf Portugiesisch genauso weich dahin wie auf Französisch oder Englisch, verrät dabei doch stets einen innigen Bezug zu den kapverdischen Traditionen, Stilen wie Coladeira, Batuque oder Funaná; aber auch denen anderer lusophoner Re­gio­nen. Die Kapverden seien nun mal in ihrer DNA, würden sie immer wieder unvorhersehbar erwischen.

Bei alldem ist da allerdings so eine Luftdurchlässigkeit, eine Leichtigkeit zu verspüren und die immense Lust, sich von dieser Basis aus in alle nur denkbaren Latin-, Pop- oder Jazzhöhen aufzuschwingen.

Allein wegen dieser unforciert zelebrierten, enormen Bandbreite, ihrer allemal urbanen, neotraditionalistischen Herangehensweise erscheint die Etikettierung als „neue Cesaria Evora“ irgendwie müßig. Mit dem wackeligen Vergleich meint man, die junge charismatische Künstlerin seit Beginn ihrer recht rasanten internationalen Erfolgsgeschichte adeln zu können. Und klar wird jene große Landsfrau, die den afrikanischen Inselstaat wie niemand zuvor ins musikalische Weltbewusstsein rückte, auch von Andrade verehrt.

Sie kooperierte sogar noch mit der 2011 verstorbenen Kollegin, und ist wie diese Autodidaktin. Vorneweg intuitiv sei ihr Zugang zur Musik – so die freigeistige, mit der Gitarre komponierende Singer/Songwriterin. Ini­tialgezündet wurde dieser durch die reichhaltige Liedkultur der MPB, der Populärmusik Brasiliens.

Doch war es ein kapverdischer Song, der dem Teenager ausgerechnet im fernen Kanada den wohl entscheidenden Karriereschub bescherte: 2001, zur vierten Ausgabe der Jeux de la Francophonie, eines interdisziplinären Wanderwettbewerbs der frankofonen Welt, zeichnete man die damals 16-Jährige mit einer Goldmedaille als beste Sängerin aus. Daraufhin fasste sie den Entschluss, nach Paris zu ziehen, wo sie schon zwei Jahre später ein Charles Aznavour zur Zusammenarbeit lud.

Das charmante Duett meisterte Mayra Andrade in elegantestem Französisch, welches sie schon mit sechs Jahren beherrschte. Ihre, wie sie sagt, quasi dritte Sprache bleibt zur Abwechslung auf „Manga“ mal außen vor. Portugiesisch und kapverdisches Kreol haben das Sagen auf dem zwischen Paris und Abidjan ausgeheckten und aufgenommenen Album – dem ersten nach dem 2013 erschienenen, polyglotten Vorgänger „Lovely Difficult“. Und wie man dort und im Konzert zu hören bekommen wird, steckte die gerade auch live temperamentvolle Sympathieträgerin ihr ohnehin schon weites musikalisches Territorium einmal mehr neu ab.

Mit von der Partie bei der Aufnahme der 13 neuen Songs waren neben Produzent Romain Bilharz (Stromae, Ayo, Feist): Akatche, ein junges Talent der urbanen Musikszene Abidjans bzw. Dakars sowie unter anderem der vertraute Weggefährte Kim Alves. Der ebenfalls in Paris lebende kapverdische Multi­instrumentalist wirkte schon 2006 beim Debütalbum „Navega“ mit.

Keiner von ihnen gehört jedoch zu der 2018 formierten Livecrew, einem Wahl-Pariser Vielvölkerverbund von vier jungen Instrumentalisten, der in seiner Zusammensetzung wie gemacht scheint für Mayra Andrades spezielle afro-franco-lusophone Melange.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz

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