berliner szenen
: Der Trottel-Mützen-Blues

Ach, wie bang ist mir das Herze, ach, wie duster mir das Hirn. Flackernd brennt die letzte Kerze, hinter meiner flachen Stirn.

Längst gebrochen ist der Wille, klagend tönt mein Wehgeschrei. Im Sturmwind hängt die welke Nille, kalt und grau wie Himmels Blei.

Jacke zu und Hose offen, ist mein Weihnachtsmarktgewand. Selten war ich so besoffen, frisch Gesellen, seid zur Hand.

Auf Halbmast weht die üble Fahne, stinkt nach heißem Ethanol. Tinnef unter weißer Plane, warum bin ich bloß so voll.

In der Kehle schon Gewürge, schwindeln macht auch der Schwenkfleischgrill. Holzschrott aus dem Erzgebirge, alles Kram, den keiner will.

In den Buden Trottelmützen, von dem Label Schweinegraus. Ich hab derart einen sitzen, besser wohl, ich geh nach Haus.

Das Pfand für meinen Glühweinpott erhielte ich an jeder Tränke. Hieß es, doch nun harrt nur Spott meiner statt der Münzgeschenke.

„Dreckschwein, Sausack, Antichrist“, hallt mir grob Geschrei entgegen. „Dass du dich nur ja verpisst“, lautet deren Weihnachtssegen.

Müde schleich ich mich von dannen, halbtot von des Fusels Ölen. Nach solch intensiven Pannen trau ich mich nicht mehr zu nölen.

Auf dem Heimweg lässt mein Magen den Gefühlen freien Lauf. Pladdert in den U-Bahnwagen schwarze Wurst und Wein zuhauf.

Und gleich fühl ich mich gesünder, munter gröl ich durchs Abteil: „Halleluja, Wakka Chakka, sei gegrüßt und Petri Heil.

Liebes Christkind, ach, ich lieb dich, lieb dich immer, immer mehr.“ Doch die fromme Fahrt, die zieht sich, Mehringdamm, Ersatzverkehr. Uli Hannemann