So viel Kritik muss sein: Jan-Paul Koopmann über Cubicle x Faktor im Künstlerhaus
: Was kost'der Spaß?

Foto: Franziska von den Driesch

Über Geld spricht man nicht, sagt man, schon gar nicht in der Kunst. Und während gutsituierte Sammler*innen natürlich ihre Codes haben, um Galerist*innen möglichst beiläufig übers Weinglas hinweg auf einen Preis festzunageln, bleibt das Thema für den Rest von uns in etwa so unangenehm, wie im Club wen nach Geschlechtskrankheiten zu fragen.

Nun ist schon viel gewonnen, wenn man Preis von Wert zu unterscheiden weiß. Und weil letzterer noch viel verrückter ist, gibt es auch so komplizierte Methoden, ihn zu errechnen. Die Bremer Künstlerin Nora Olearius hat sich die gängige Formel vorgenommen: Höhe plus Breite mal Faktor. Für die ersten beiden reicht ein Geodreieck, der entscheidende dritte Wert ist subjektiv wie nur was. Da geht es um Erfahrung, Können, Relevanz und lauter Sachen, die sich eben nur mit Mühe erheben und erschließen lassen. Bei Gemälden liegt der Wert bei Hochschulabsolvent*innen so zwischen fünf und zehn. Bei Plastiken ist’s etwas mehr. Dass die neben Höhe und Breite auch noch eine Tiefe haben, führt hier zu weit.

Es ist nämlich so: Nora Olearius rechnet so akribisch, weil sie als Künstlerin natürlich weiß, wie absurd das alles ist. Ihre mathematische Arbeit hängt handschriftlich auf neun Blättern Karopapier an der Wand. Daneben steht ein u-förmiger Aufbau aus Pappkartons, in dem sich Kunstwerke befinden sollen. Mietware: wie sie Anwaltskanzleien oder die Agenten des Kapitals für ihre repräsentativen Räume kommen lassen.

Was nun genau in diesen Kartons steckt? Keine Ahnung. Aber an der Wand steht, wie groß die Bilder sind und welche Faktoren Olearius zusammenrecherchiert hat. Mit diesen Zahlen stellt sie dann allerlei an, nebenher hat sie noch die Durchschnittsfarben der sechs Bilder errechnet und in einem eigenen Bild nebeneinander arrangiert: ein lila Streifen, ein grüner und so weiter.

Und das alles wäre nicht mehr als ein (mindestens gelungener) Scherz, wären die errechneten Spaßzahlen nicht so wirkmächtig. Man kommt von der Hochschule und wird auf den Markt geschmissen – das ist die Lebenserfahrung fast aller ausgebildeter Künstler*innen und eben auch die von Olearius. Sie war 2017 Meisterschülerin bei Jean-François Guiton und schließt mit dieser Ausstellung im Künstlerhaus nun ihr gewonnenes Bremer Atelierstipendium ab. Und noch bevor wer was kaufen will, geht es ums Geld: Die Versicherungen wollen auch bei nichtkommerziellen Ausstellungen den Faktor der Künstler*innen hören und, ob man will oder nicht, der Wert lenkt auch die Aufmerksamkeit von Presse, Publikum und Förderern.

Ob es für Olearius eine schmerzhafte Erfahrung ist, dass die Aufmerksamkeit von der (ästhetischen) Sache selbst abkommt? Es sieht nicht so aus. Dafür strahlt diese Arbeit zu viel Spaß aus und ein viel zu authentisches Interesse an einer komischen Welt, die so krass vom Inhalt abstrahiert und so durchschaubar Objektivität nur vorgaukelt.

Ausstellung bis 6. Januar 2019, Künstlerhaus Bremen