Kollektiver Tiefschlaf

Mit der 1:2-Niederlage gegen den FC Bayern München ist die schier grenzenlose Euphorie, mit der Werder Bremen in die Saison begleitet wurde, in Katerstimmung umgeschlagen

Ein kleiner Lichtblick im lethargischen Werder-Spiel: Bremens Yuya Osako trifft zum 1:1 David Hecker/dpa Foto: Foto:

Von Ralf Lorenzen

Vor dem Spiel gegen Bayern München stand die Stimmung bei Werder Bremen auf der Kippe. Der bisherige Saisonverlauf hatte zwei klar unterteilbare Phasen: In den ersten acht Spielen münzte die Mannschaft die Anfangs-Euphorie in der Stadt in einen Angriff auf die Tabellenspitze um, der sie bis auf Platz zwei führte. Mit der 2:6-Niederlage gegen Bayer Leverkusen kam diese Euphorie ins Stocken und schlug mit den beiden folgenden Niederlagen sowie dem glücklichen Unentschieden beim SC Freiburger SC in Katerstimmung um. Erste Zweifel an der tatsächlichen Stärke der Mannschaft wurden wach und durch einen Blick auf das harte Hinrunden-Restprogramm, in dem außer Fortuna Düsseldorf nur noch Spitzenteams warten, verstärkt.

Mit der 1:2-Niederlage gegen den schwächelnden Rekordmeister aus München wurde nun die Chance verpasst, sich neuen Schwung für den Endspurt bis zur Winterpause zu holen. Die Ansprüche der Bremer, die nun in den vergangenen 18 Pflichtspielen gegen Bayern München verloren und dabei im Schnitt vier Tore kassiert haben, sind so gewachsen, dass es niemand als Erfolg werten wollte, dass sich die Bayern in der Schlussphase gezwungen sahen, auf Zeit zu spielen, um den knappen Sieg zu retten.

Offenkundiges Formtief

So ist es auch nicht das nackte Ergebnis, das den Bremern Sorge bereiten sollte, sondern der spielerische Rückschritt der letzten Wochen. Der ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass einige Spieler, die in den ersten Saisonphase konstant auf hohem Niveau agierten, offenkundig im Formtief hängen und dem auf Offensive ausgerichteten System nicht mehr die nötigen Impulse geben. Das betrifft den mit gelb-roter Karte vom Platz geflogenen Niklas Moisander, den trotz seines Tores verunsichert wirkenden Stürmer Yuya Osako, vor allem aber die Mittelfeldantreiber Maximilian Eggestein und Davy Klaassen. Durch deren Abfall wird der längerfristige Ausfall des verletzten Philipp Bargfrede noch schmerzlicher.

Nuri Sahin, dessen Stärken im Aufbauspiel liegen und diesmal in der 4-1-4-1- Formation als einziger Sechser aufgeboten war, konnte mehrfach lange Anspiele durchs Zentrum an den Strafraum nicht unterbinden und ließ sich vorm 1:2 von Thomas Müller ziemlich leicht ausspielen. Die Einwechslung von Kevin Möhwald zeigte, dass dieser in Zukunft eine wirkungsvolle Alternative im zentralen Mittelfeld sein kann.

Rätselhafter als das Leistungsloch einzelner Spieler ist allerdings der kollektive Tiefschlaf, in den die Bremer regelmäßig schon direkt nach dem Anpfiff verfallen. Eine hellwache Abwehr hätte den Ex-Bremer Serge Gnabry in der 20. Minute nicht so alleine stehen lassen, dass er nach einer einfachen Flanke in den Strafraum völlig ungestört das 1:0 erzielen konnte.

Kein Selbstvertrauen

Typisch für die letzten fünf Spiele war auch der weitere Verlauf, in dem die Bremer nach dem Rückstand aufwachten und bis zur Pause ihre stärkste Phase hatten. In der fiel folgerichtig nach guter Vorarbeit von Max Kruse der Ausgleich durch Osako. Nach Wiederanpfiff stellte sich aber die gleiche Lethargie wie zu Beginn wieder ein: kein Selbstvertrauen, kein Zugriff und das logische 1:2 durch Gnabry.

Einen kurzen Moment gab es noch, in dem das Spiel hätte kippen können. Auch nicht zum ersten Mal weckte die Einwechslung von Claudio Pizarro nochmal die Lebensgeister im Weserstadion – diesmal feierten selbst die Bayern-Anhänger den Peruaner mit Sprechchören. Eine Chance von Kruse spielte der Ex-Bayer tatsächlich noch heraus, der Rest war dann aber nur noch coole Bayern-Routine.

Neben der Niederlage schmerzt vor allem der Ausfall der kompletten Innenverteidigung beim nächsten Spiel gegen Fortuna Düsseldorf. Moisander ist dann gesperrt und der verletzt ausgewechselte Milos Veljkovic fällt bis auf Weiteres aus. Gegen den Tabellenletzten steht Werder massiv unter Erfolgsdruck, wenn das selbst ausgerufene Saisonziel eines Europa-League-Platzes noch halbwegs realistisch bleiben soll. „Wir wollen, müssen und werden gewinnen,“ sagte Trainer Florian Kohfeldt am gestrigen Sonntag nach dem Spiel. Das klang fast schon trotzig.