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Weihnachtliches Rodeo

Mehr als Glühwein und Mandeln: Die etwas anderen Weihnachtsmärkte gibt es in internationalen Facetten, von klassisch heimelig bis zum Ballermann-Feeling

Weihnachts-Hit auch Japan, aus Obstbaumholz gedrechselt und mit Ornamenten bemalt: Kokeshi-Puppen Foto: Foto: Alamy/mauritius images

Von Jana Janika Bach

Im Winter ist sie zwar meist grau, die deutsche Hauptstadt, wie der Himmel über Berlin, aber sonst ist sie bunt, ihre Weihnachtsmärkte ebenso. Und was gibt es Schöneres, alle Jahre wieder, um sich in der Vorweihnachtszeit in die richtige Stimmung zu bringen, als über Christkindlmärkte zu schlendern, dabei einen Reibekuchen zu verdrücken und Glühwein zu schlürfen, den Duft von Geröstetem in der Nase, umgeben von Engeln, Kitsch und Lichterketten.

Doch Heimeliges ist kaum für jedermann, auch hält dieses Etikett bisweilen nicht, was es verspricht. Manche mögen sich lustvoll dort ins Getümmel stürzen, wo Weihnachtsmärkte mehr Ballermann-Feeling als Budenzauber versprühen und Massen pöbelnd Trinkgelagen frönen oder sich durch vollgestopfte, winzige Gassen schieben, an dampfend-ranzigen Imbissen und Ständen mit überteuertem Ramsch vorbei.

Allen anderen aber sei bei der Wahl ihres Weihnachtsmarktausflugs ans Herz gelegt, es mit Nietzsche zu halten – ja selbst zur besinnlichen Zeit – denn, Traditionen hin oder her, es ist kein Verbrechen an den Vorfahren, noch pietätlos, auch mal abseits der festgetrampelten Pfade entlangzustiefeln.

Von Finnland bis Japan

Von finnischen Weihnachtstagen im Bergmannkiez mit Flammlachs und Glögg über Dinkelwaffeln und Biokaffee auf dem Adventsökomarkt rund um den Kollwitzplatz bis zur „Stockbrot-Station“ im Wedding, egal ob mit Freunden, der Familie oder als Paar, gerade Experimentierfreudige werden in Berlin auf ihre Kosten kommen.

So hat es Santa Claus in einer globalisierten Welt mehr oder weniger auch nach Japan mit seinen shintoistisch-buddhistischen Festen geschafft, wo nur ein Prozent der Bevölkerung Christen sind und man sich in der Adventszeit ein „o-seibo“, „ein Jahresgeschenk“ überreicht. Doch ist der 24. bei den Insulanern noch immer regulärer Arbeitstag. Trotzdem gehören der japanische Weihnachtsmarkt in der Schöneberger Malzfabrik als auch der japanisch-koreanische in der Alten Münze in Mitte – mit asiatischen Lichtern und „Weihnachtswundern“ geschmückt – zu den aufregendsten.

Witzig schräg bis qualitativ hochwertig, wer noch nach einem Geschenk sucht, wird hier sicher fündig. Da gibt es Mangas, Masken und Tuschzeichnungen, Accessoires oder die bei Sammlern beliebten, aus Obstbaumholz gedrechselten und meist mit Ornamenten bemalten Kokeshi-Puppen. Auch Tonkannen oder Raku-Schalen, Utensilien für ein japanisches Teezeremoniell, können erworben oder bestaunt werden. Wer mag, legt zwischen Kimono-Anprobe und Bonsai-Bäumchen-Beschau eine Stärkungspause ein. Zu Bi Bim Bap, Kimchi oder Ramen werden Heißgetränke gereicht, während Geishas tanzen und Anime-Gestalten vorüberhuschen. Andere vergnügen sich bei Karaoke oder lauschen den Konzerten.

Japanischer & Koreanischer Weihnachtsmarkt: „Alte Münze“, Molkenmarkt 2, Berlin Mitte. 1./2. Dez. 12–22 Uhr. Eintritt: 3 Euro.

Nordischer Weihnachtsmarkt mit Theater am Schloss Britz: Alt-Britz 73, Berlin Neukölln. 14. Dez. 14–21 Uhr, 15./16. Dez. 11–21 Uhr, 21. Dez. 14-21 Uhr, 22./23. Dez. 11–21 Uhr. Eintritt: 3 Euro, ermäßigt 2 Euro.

Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus: Rathausstr. 15, Berlin Mitte. 26. Nov. bis 30. Dez., Mo.–Fr. 12–22 Uhr, Sa./So. 11–22 Uhr, Heiligabend geschlossen, 25./26. Dez. 11–21 Uhr, 30. Dez. 12–21 Uhr. Besonderes: Eisbahn am Neptunbrunnen (regelmäßige Pausen von 30 Minuten für die Aufbereitung der Eisfläche).

Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg: Spandauer Damm 10, Berlin Charlottenburg. 26. Nov. bis 26. Dez., Mo.–Do. 14–22 Uhr, Fr.–So. 12–22 Uhr, 1. und 2. Weihnachtsfeiertag von 12-–20 Uhr, Heiligabend geschlossen. Eintritt: frei.

Historischer Weihnachtsmarkt auf dem RAW-Gelände: RAW, Revaler Str. 99, Berlin Friedrichshain. 23. Nov. bis 22. Dez., Mo.–Do. 15 bis 22 Uhr, Fr./Sa. 12–22 Uhr, So. 12–19 Uhr, 25. Nov. geschlossen. Eintritt: Mo.–Do. frei, Fr.–So. Erwachsene 2 Euro, ermäßigt 1 Euro.

Öko-Weihnachtsmarkt Kollwitzplatz: Kollwitzplatz 1, Berlin Prenzlauer Berg. An allen Adventssonntagen 12–19 Uhr. Eintritt: frei.Finnischer Weihnachtsmarkt im Bergmannkiez: Schleiermacherstraße 24A, Berlin Kreuzberg. 24./25. Nov. 12–18 Uhr. Eintritt: frei.

Weihnachtlicher Weddingmarkt: Leopoldplatz, Berlin Wedding. 9. Dez. 13–20 Uhr, 16. Dez. 13–21 Uhr. Eintritt: frei.

Cool geht’s hingegen im Berliner Kühlhaus zu, einem Backsteinbau von 1901, Szenetreff der Kunst und Mode. Für den „Weihnachtsrodeo“ soll sich an jeweils den ersten Adventswochenenden auf fünf Stockwerken und auf 3.500 Quadratmetern ein modernes „Winter-Wunderland“ auftun. Ein Weihnachtsmarkt im Großformat, der Kindermalen und Workshops anbietet, Drinks und DJs, Streetfood und eine Abteilung nur für Naschkatzen.

Vor allem aber präsentieren über 200 Aussteller zu Design, Fashion, Schmuck und Kunst – ein Sortiment für Modebewusste, Pragmatiker und Pflanzenfreunde, indem sich Exklusives wie Holz-Sonnenbrillen, Parfum oder Ringe aus gezwirbelten Gold finden, Nützliches, Strick-Wollsocken und Geschenkpapier, aber auch Keramik-Vasen, Topfhängungen oder dekorativ in Glas gefasste Ableger. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf DIY-Produkten und Graphik-Art.

Das RAW-Gelände, als Clublandschaft bekannt, bleibt seinem schroffen Konzept auch zur Adventszeit treu. Von Fackeln und Kaminen beleuchtet zeigen hier Jongleure und Akrobaten an Lagerfeuern ein flackerndes Spektakel. Der mittelalterliche Markt wartet mit Handwerkskunst auf – mit Schmiede, Keramik oder Holzschnitzereien.

Die beste Aussicht genießt, wer sich zum Roten Rathaus aufmacht – mit dem Riesenrad geht’s nach oben, der Blick des Stadtpanoramas wirkt wie Zen. Wer wieder Boden unter den Füßen hat, kann durch die Gassen des Marktes flanieren oder auf der dem Markt angeschlossenen Eisbahn elegante Pirouetten drehen.

Wie aus dem Bilderbuch: Eine Krippe ist aufgebahrt, nebenan stehen Reitponys, alles in Lichterglanz gehüllt. Auf dem weitläufigen Gelände der Späth’schen Baumschulen, der ältesten Deutschlands, lockt außerdem eine Weihnachtsbäckerei mit frisch Gebackenem. Das historische Karussell lädt zur Fahrt ein und Naturwerkstätten zum Stöbern und Selber-Werkeln. An den Ständen findet sich allerlei Edles: Schaukelpferde und Schlitten, feine Stoffe, Schmuck für Mensch und Baum, originale Erzgebirgskunst.

So kann der Advent auch schmecken: Bi Bim Bap, Flammlachs und Streetfood

Lagerfeuer und Kaminofen

Und während in der Ur-Märchenhütte zum Beispiel das Monbijou Theater auftritt, kann im Hof an Lagerfeuer oder Kaminofen bei Grünkohl, veganem Gulasch, hausgemachten Wildbouletten oder ukrainischer Soljanka, heißer Trinkschokolade, echtem Glögg und Obstglühwein, in fünf verschiedenen Sorten offeriert, gewärmt werden.

Diejenigen, die ein Zeichen setzten wollen für eine freiheitsliebende Gesellschaft, wird es zur Gedächtniskirche ziehen, zumindest an einem der Tage rund ums fröhliche Fest. Um den Markt zu begehen, aber ebenso um der Opfer des Anschlags vom 19. Dezember 2016 am Breitscheidplatz zu gedenken. So wie es bereits viele Berliner und Touristen im letzten Jahr getan haben, als sie sich dort versammelten und Kerzen anzündeten. Insgesamt seien die Weihnachtsmärkte in der Region auch 2017 gut besucht gewesen, vermeldete der Berliner Schaustellerverband, die mehr als 80 in Berlin und rund 130 in Brandenburg.

Die Polizei zeigte allerorts Präsenz, auch in den vergangenen Monaten wurde wieder zu neuen Konzepten beratschlagt. Ob durch Videoüberwachung, zusätzlich geschultes Personal oder Betonpoller, mit denen die großen Märkte ausgestattet werden – am Potsdamer Platz, bei der „Winterwelt“, sind sie bereits zu sehen –, Bezirksämter, Veranstalter und Polizei werden Hand in Hand arbeiten, um die Sicherheit auf den Weihnachtsmärkten zu gewährleisten.