Kohle für die Kohle

Bund zahlte allein in den letzten 20 Jahren 50 Milliarden Euro

Wenn Prosper Haniel in drei Wochen stillgelegt wird, sind nach Angaben von RAG fast alle Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut. Die Ausstiegsregelungen sind vergleichsweise großzügig: Wer 25 Jahre lang unter Tage gearbeitet hat und 49 Jahre alt ist, kann für ein Jahr in Kurzarbeit eintreten. Im Anschluss bekommt er fünf Jahre Anpassungsgeld und ab 55 Jahren die Bergmannsrente.

Im Ruhrgebiet fragen sich einige, ob die Arbeit als Bergmann, aus dem sie mit 49 Jahren hätten aussteigen können, nicht lukrativer gewesen wäre, als ein Job über Tage, um den sie bis zur Rente mit 67 weitere 18 Jahre bangen müssen. Möglich wurden derartige Zahlungen durch massive Subventionen: Allein in den vergangenen 20 Jahren hat der Bund die Steinkohle mit etwa 50 Milliarden Euro unterstützt, von Nordrhein-Westfalen kamen noch einmal 10 Milliarden.

Dabei war das Ende lange absehbar. Im Jahr der Kohlekrise 1958 war die Förderung von Kohle bereits seit Jahrzehnten defizitär. Dennoch sollte der Kohleausstieg noch einmal weitere 50 Jahre dauern. Schließlich wollte man das Ruhrgebiet und damit halb Nordrhein-Westfalen nicht in riesige, von Massenarbeitslosigkeit geprägte Slums verwandeln.

200 Euro kostet die Tonne Kohle aus den tiefliegenden, schmalen Flözen an der Ruhr. In Rotterdam liegt der Weltmarktpreis US-amerikanischer, kolumbianischer, südafrikanischer und australischer Kohle bei etwa 80 Euro pro Tonne – auch aufgrund von Kinderarbeit wie in Kolumbien oder massiver Umweltzerstörung wie in den USA: Beim Mountaintop Mining werden in den Appalachen ganze Berggipfel einfach weggesprengt. Danach fahren riesige Bagger und Muldenkipper in die dann offenliegenden Kohleflöze – und fördern im Tagebau viel billiger, als das an der Ruhr jemals möglich wäre.

Weitere Kosten verursachen wird der Bergbau auch nach seinem Aus. Nach jahrhundertelanger Suche nach Kohle sind die ehemaligen Reviere durchlöchert. Rund 60.000 verlassene „Tagesöffnungen“ gibt es allein in Nordrhein-Westfalen. Rund 1.000 gelten als einsturzgefährdet. Und bei 65 ist nicht einmal die genaue Lage bekannt – die Pläne, Karten, Zeichnungen, auf denen sie verzeichnet waren, sind in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs verbrannt. Zudem hat der Abbau, das Entfernen der meterdicken, übereinanderliegenden Steinkohleflöze, weite Teile des Ruhrgebiets großflächig abgesenkt. Die Essener Innenstadt etwa ist 35 Meter abgesackt, im ganzen Revier sind es im Schnitt 25 Meter. Damit das Ruhrgebiet sich nicht in eine sumpfige Seenlandschaft verwandelt, müssen dauerhaft Millionen Kubikmeter abgepumpt werden. Die „Ewigkeitskosten“ dafür werden auf 220 Millionen Euro geschätzt – pro Jahr. havo, wyp