Kohlekommission auf 2019 verschoben

Umweltverbände und Opposition empört: Bundesregierung gibt Druck ostdeutscher Kohleländer nach. Neue Höchststände von Treibhausgasen in der Atmosphäre

So sieht es nach der Braunkohle aus: Das neue Wasser-Einlaufbauwerk zur Flutung des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord. Aus der Grube soll der größte künstliche See Deutschlands mit etwa 19 Quadratkilometern Wasseroberfläche entstehen Foto: Patrick Pleul/dpa

Von Kai Schöneberg

Erst wollte sie bereits am kommenden Mittwoch ihre Ergebnisse vorstellen, viel früher als geplant. Jetzt plötzlich will die Bundesregierung die Arbeit der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ um zwei Monate verlängern. Der Grund: Die ostdeutschen Kohleländer hatten sich im Kanzleramt dafür eingesetzt, dass das auch als „Kohlekommission“ bekannte Gremium „konkreter“ über Strukturhilfen für betroffene Regionen sprechen soll, bevor der Kohleausstieg festgezurrt wird.

„Wenn das einzig Konkrete an diesem Ausstieg die Festlegung auf das Jahr ist, zu dem dieser erfolgen soll, ist das einfach zu wenig“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Donnerstag im Landtag in Magdeburg. Er hatte mit den Regierungschefs von Brandenburg und Sachsen einen milliardenschweren Ausgleichsfonds für die Braunkohlereviere gefordert. Damit sollen schnelle Internetverbindungen, Straßen, Bahnstrecken, Forschungsinstitutionen sowie die Ansiedelung von Bundesbehörden finanziert werden. Der Strukturwandel müsse vor dem Ausstieg aus der Kohle „erfolgreich“ abgeschlossen sein, hieß es. In der Lausitz oder im Mitteldeutschen Revier werde es am Ende nicht weniger, sondern mehr Arbeitsplätze geben, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag im Bundestag. Die Lausitz solle „eine Energieregion“ bleiben, in der künftig „Energie aus erneuerbaren Quellen, aus Gas, aus anderen Quellen produziert wird“.

Umweltverbände und Opposition reagierten empört: „Wir möchten hiermit aufs Schärfste dagegen protestieren und Sie nachdrücklich darum bitten, beim ursprünglich vereinbarten Zeitplan zu bleiben“, schrieben die Kommissionsmitglieder Martin Kaiser (Greenpeace), Kai Niebert (Deutscher Naturschutzring) und Hubert Weiger (BUND). Sie forderten „eine geschlossene Aussprache“ über die Zukunft des Gremiums. „Wie ein Bumerang“ fliege der Bundesregierung die Kommission nun „mit voller Wucht um die Ohren“, sagte der Klimaexperte der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin. Die Verschiebung sei „der neueste Beleg für den grundsätzlichen Konstruktionsfehler und die völlige Überforderung“ des Gremiums. Die Kommission wollte eigentlich in der kommenden Woche Details zu Strukturwandel, Abschaltungen von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken bis 2022 und einen Ausstiegsplan inklusive Enddatum vorlegen. Die Vorschläge sollten vor der Weltklimakonferenz in Kattowitz im Dezember ein Zeichen setzen.

Die Konzentration von klimaschädlichen Treibhausgasen hat indes neue Rekorde erreicht. Keine Anzeichen für „eine Umkehrung des Trends, der zu langfristigem Klimawandel, dem Meeresspiegelanstieg, der Versauerung der Meere und mehr extremen Wettersituationen beiträgt“, sah die Weltwetterorganisation (WMO) am Donnerstag in ihrem Treibhausgas-Bulletin. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stieg danach 2017 von 403,3 ppm (Teilchen pro Million Teilchen) auf 405,5. CO2 entsteht etwa durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas oder die Zementproduktion. Die CO2-Konzentration lag damit 46 Prozent höher als in vorindustrieller Zeit, also vor 1750.

Auch das Kühlmittel CFC-11 oder Trichlorfluormethan kommt zurück. Der Stoff zerstört die Ozonschicht und wirkt ebenfalls als Treibhausgas. Deshalb war er im Montrealer Protokoll 1997 verboten worden. Sein Anteil in der Atmosphäre sank danach kontinuierlich, seit 2012 verlangsamt. Offenbar sind chinesische Schaumstofffabriken die Verursacher. Auch die Konzentration von Methan und Di­stickstoffmonoxid („Lachgas“) erreichte laut WMO neue Höchststände.

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