Arztmobil für Papierlose unter Druck: Die Polizei ist indiskret

Das Arztmobil behandelt ehrenamtlich Geflüchtete und Obdachlose – es sei denn, die Polizei beobachtet die mobile Praxis. Dann trauen sich Patienten nicht rein.

Das Hamburger Arztmobil

Auf niedrigschwelligen Zugang angewiesen: Das Hamburger Arztmobil Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Einen Diskretionsabstand einzuhalten, gehört zu den Grundregeln eines Arztbesuchs. Nicht nur, um Ansteckungen zu verhindern, sondern auch, um die Privatsphäre von Pa­ti­en­t*in­nen zu schützen. Daran ändert sich nichts, wenn die Ärzte ehrenamtlich arbeiten und die Patienten Papierlose oder Menschen ohne Krankenversicherung sind. Dass die Polizei nicht vor solchen Arztpraxen stehen und diese beobachten sollte, erklärt sich von selbst.

Für die Hamburger Polizei ist das offenbar aber nicht selbstverständlich. Am vergangenen Sonntag parkte laut Augenzeugenberichten ein Mannschaftswagen wenige Meter neben dem Arztmobil, einer ehrenamtlichen Versorgungseinrichtung, in der Hafenstraße. Einige Po­li­zis­t*in­nen standen in der Nähe und beobachteten das Geschehen.

Das Arztmobil ist ein umgebauter Transporter, in dem ein ehrenamtliches Team aus Ärz­t*in­nen und Kran­ken­pfle­ge­r*in­nen Menschen ohne Krankenversicherung behandelt. Jeden Samstag fährt es Unterkünfte des Winternotprogramms an und versorgt Obdachlose.

Sonntags steht es in der Hafenstraße und versorgt geflüchtete Westafrikaner, die weder eine Arbeitserlaubnis noch eine Krankenversicherung haben. Viele von ihnen sind obdachlos. Das Spektrum an Krankheitssymptomen reicht von Grippe über Ekzeme und Zahnproblemen bis hin zu schlecht verheilten Brüchen.

Die Beamten wollten nicht weichen

„Wegen der Polizeipräsenz haben sich die Geflüchteten nicht getraut, sich dem Arztmobil zu nähern“, sagt Claudia M.* von der Initiative Copwatch. Die Ini­tiative kritisiert die hohe Polizeipräsenz auf St. Pauli und die rassistische Dimension der Polizeikontrollen, denen schwarze Menschen dort täglich ausgesetzt sind. „Medizinische Versorgung ist ein Menschenrecht“, sagt M. „Es darf nicht sein, dass die Polizei den Geflüchteten das verwehrt.“

Die Po­li­zis­t*in­nen seien hartnäckig geblieben, obwohl Mit­ar­bei­te­r*in­nen des Arztmobils sie gebeten hätten, zu gehen. Stattdessen hätten die Be­am­t*in­nen vorgeschlagen, die Ärz­t*in­nen könnten die Geflüchteten ja an der Hafentreppe abholen und zum Arztmobil eskortieren.

Nach einigem Hin und Her hätten die Be­am­t*in­nen ihren Mannschaftswagen schließlich weggefahren, seien aber zu dritt in Sichtweite stehen geblieben, während M. die Geflüchteten nach und nach an ihnen vorbei zum Arztmobil begleitet habe.

In der Regel hält sich die Polizei zurück

Julia Hermann ist die Geschäftsführerin des Arztmobils und bestätigt den Vorfall. „Eigentlich ist unser Verhältnis mit der Polizei kooperativ“, sagt sie. Die Eh­ren­amt­le­r*in­nen schickten der Davidwache, die für die täglichen Schwerpunkteinsätze in der Hafenstraße zuständig ist, sogar ihre Dienstpläne. In der Regel hielten sich die Po­li­zis­t*in­nen zu den entsprechenden Zeiten zurück. Warum das am Sonntag anders war, kann sich Hermann nicht erklären.

Auch die Pressestelle der Polizei erklärt das nicht. Sie erkennt aber auch kein Problem: „Die Polizei Hamburg gewährleistet einen freien Zugang zum Arztmobil“, sagt Polizeisprecher Ulf Wundrack. „Dies ist auch am vergangenen Sonntag erfolgt.“

Das Arztmobil kommt seit April 2017 regelmäßig in die Hafenstraße. An­woh­ne­r*in­nen hatten sich nach einem Todesfall dafür eingesetzt: Ein junger Westafrikaner hatte mehrere Tage lang über Bauchschmerzen geklagt und nach Schmerztabletten gefragt. In Hamburg konnte er nicht zum Arzt gehen, weil er in einer Flüchtlingsunterkunft in Bayern gemeldet war. Als er einige Wochen später zurück in seine Unterkunft fuhr, war es zu spät. *Name geändert

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