die dritte meinung
: Das deutsche Wahlrecht braucht dringend eine Quote für Frauen in der Politik, fordert Maria Wersig

Maria Wersig

ist Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. Sie hat Rechtswissenschaft und Genderkompetenz in Berlin studiert und lehrt an der Fachhochschule Dortmund.

Gleichberechtigte politische Teilhabe ist keine Selbstläuferin. Immer lauter wird parteiübergreifend und in der Zivilgesellschaft der Ruf nach einer Änderung des Wahlrechts. Aus gutem Grund. Vergangene Woche wurde 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland groß gefeiert. Noch nie gab es jedoch ein paritätisch besetztes deutsches Parlament oder gar eines mit weiblicher Mehrheit. Im aktuellen Bundestag ist der Frauenanteil (30,9 Prozent) auf den Stand der 90er Jahre zurückgefallen. Im Europaparlament sind ebenfalls weniger als ein Drittel der deutschen Abgeordneten Frauen. Noch düsterer sieht es in der Kommunalpolitik aus.

Die mangelnde Repräsentanz von Frauen lässt sich nicht mit Argumenten wie angeblich mangelndem politischen Interesse oder seltenerer Parteimitgliedschaft rechtfertigen. Parteien spielen eine Schlüsselrolle in der Demokratie. Sie sind in der Pflicht, Frauen nicht nur als Wählerinnen zu gewinnen, sondern auch als Kandidatinnen. Die Schilderungen von politisch aktiven Frauen, wie sie parteiintern von aussichtsreichen Listenplätzen oder Direktkandidaturen abgehalten werden, zeigen den Handlungsbedarf. Aussichtsreiche Kandidaturen von Frauen können nicht nur als ein Gnadenakt männlicher Mehrheiten möglich sein. Das ist eine Frage der politischen Kultur.

Parteien wie Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke, die sich qua Satzungsrecht zur Quotierung ihrer Wahllisten verpflichten, erreichen auch einen angemessenen Frauenanteil in ihren Fraktionen. Die anderen Parteien haben kein gleich wirksames Instrumentarium gefunden, um dieses Ziel zu erreichen, oder sie haben auch gar nicht dieses Ziel. Wo freiwillig nicht geteilt wird, können gesetzliche Regelungen Veränderungen anstoßen. Die Parteien müssen zu einer geschlechtergerechten Besetzung ihrer Wahllisten verpflichtet werden und sich auch für die Direktkandidaturen Ziele setzen. Denn sie haben hinsichtlich der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern einen Verfassungsauftrag zu erfüllen.