Grooven mit der Raumpatrouille Orion

Die Achtziger sind seine Religion: Brasiliens Soul-Star Ed Motta brachte das Quasimodo zum Tanzen

Von Tim Caspar Boehme

Seine Schulterpolster sitzen. Schon wenn er die Bühne betritt, ist er eine Erscheinung. Ein Berg von einem Mann, dessen Brille und Glatze ihn wie einen verrückten Professor wirken lassen. In Sachen Musikwissen trifft diese Charakterisierung auf Ed Motta sicherlich zu, doch der Mann mit der nach eigener Auskunft 30.000 Stück zählenden Plattensammlung verdient sein Geld auf den Bühnen dieser Welt als Sänger. Und Entertainer.

In Brasilien ein Superstar, füllt er in Berlin am Donnerstag immerhin das Quasimodo. Das Jazzkellerambiente passt denn auch recht gut zum Programm, das er mitgebracht hat. Fast vollständig spielt er in seinem gut anderthalbstündigen Set sein aktuelles Album „Criterion of the Senses“, das die Richtung fortsetzt, die er seit einigen Jahren bevorzugt wählt: AOR, „Adult Oriented Rock“, wie das musikalische Schaffen der späten Siebziger und frühen Achtziger, mit Bands von Steely Dan über Fleetwood Mac bis hin zu Sängern wie Al Jarreau gern mit größtmöglicher Distanziertheit zusammengefasst wird.

Übergut produziert, elegant komponiert und technisch versiert geht es in dieser Musik zu. Was Freunde des schmutzigeren Klangs eher zum Abstandnehmen veranlasst. Für Ed Motta ist diese Phase der Musikgeschichte jedoch seine „Religion“, wie er das Publikum wissen lässt. An seinen Vorbildern orientiert er sich ohne Scheu vorm Reproduzieren eingeschliffener Musizierpraktiken. Das tut er mit seiner für die Europatour zusammengestellten Liveband – bestehend aus dem Pianisten und „musical director“ Matti Klein aus Berlin, dem französischen Bassisten Laurent Sal­zard, dem finnischen Gitarristen Arto Mäkelä und am Schlagzeug Yoràn Vroom aus den Niederlanden – allerdings so formvollendet, dass man nur zu gern an seinem Gottesdienst teilnimmt, seinen Segen erteilt bekommt und irgendwann verzückt zum Tanzgebet aufspringt.

Auch wenn Ed Motta beim Singen glaubhaft den Eindruck erweckt, dass es ihm mit seiner musikalischen Religion ernst ist, bringt er in seinen Ansagen genügend Ironie ins Spiel, um dem Publikum die Frage zu ersparen, ob das Ausleben von Achtziger-Nostalgie jetzt eigentlich uncool ist oder vielmehr von offizieller Hipsterseite autorisiert. Und das teils gesetzte Publikum erweckt ohnehin nicht den Eindruck, dass es sich mit derlei Fragen quälen würde. Es macht wirklich Spaß, Ed Motta dabei zuzuhören, wenn er das Wort „Raumpatrouille Orion“ – eine seiner Inspirationen – mit schnarrendem „Rrrr“ mehrfach wiederholt, sich auf die Krimiserie „Magnum, P. I.“ mit Tom Selleck als weiteren Einfluss beruft oder nach jedem zweiten Stück auf den Merchandising-Tisch mit den Schallplatten verweist, die er zu signieren bereit sei, sofern man sie kaufe, um dann sofort hinterherzuschicken, wie „amerikanisch“ dieser Hinweis doch sei. Da verzeiht man ihm sogar, dass an diesem Abend nicht jeder Ton auf der Zielgeraden landet.

Als Zugabe kommt dann noch die Erkennungsmelodie von „Magnum, P. I.“. Kaum zu fassen: Sie spielen meinen Klingelton! Was will man mehr?