Flucht vor dem Hype

Nach der perfekten Saison im Vorjahr gönnt sich Skispringer Kamil Stoch kaum Ruhe. Beim Weltcup-Auftakt in der polnischen Heimat soll er wieder gewinnen

Springen ohne Unterlass: Kamil Stoch beim Sommer Grand Prix in Hinterzarten Foto: imago

Von Klaus-Eckhard Jost

Eigentlich hätte Kamil Stoch nach dem Ende der vergangenen Saison ein lange Pause verdient gehabt. Olympiasieger auf der Großschanze war er wieder geworden. Die Vierschanzentournee hat er erneut gewonnen, sogar wie Sven Hannawald 16 Jahre zuvor bei allen vier Stationen triumphiert. Und die große Kugel des Siegers im Gesamt-Weltcup durfte er ebenso mit nach Hause nehmen wie die kleine für den besten Skiflieger. Eine perfekte Saison also. Doch Zeit zum Feiern und Ausspannen wurde dem 31 Jahre alten Polen nicht gegeben. „Wir haben nach der Saison nur zwei Tage Pause gehabt“, sagt Stoch. Warum? „Fragen Sie meinen Trainer, nicht mich. Er ist der Boss“, lautet seine Antwort.

Coach Stefan Horngacher wollte, dass seine Athleten im Rhythmus bleiben. Und er wollte auch ausschweifenden Feierlichkeiten vorbeugen. Schon im Jahr davor hatte sich der österreichische Trainer in die Terminplanung seines Springers eingemischt. „Es waren brutal viele Anfragen, wir haben versucht die wichtigen Dinge von den unwichtigen zu filtern. Trotzdem waren ein, zwei, drei Sachen zu viel dabei“, sagte Horngacher. Und er zeigt Verständnis: „Wenn du so im Rampenlicht stehst, viele Möglichkeiten hast, machst du auch gewisse Dinge.“ Um dem nach den Erfolgen noch größeren Hype um den Nationalhelden zu begegnen, bat er seinen Athleten zum Training. Dies konnte Stoch durchaus nachvollziehen. Der hatte schon nach seinem historischen Triumph bei der Tournee eine Rückkehr in seine Heimatstadt Zakopane vermieden. „Ich habe geahnt, was passieren würde, aber wir hatten noch ein paar wichtige Ereignisse wie die Olympischen Spiele vor uns“, sagte er vor Kurzem bei einer Visite im WM-Ort Seefeld.

Am Wochenende kann Kamil Stoch den Kontakt mit seinen skisprungbegeisterten Landsleuten nicht vermeiden. Ganz im Süden von Polen, in Wisla beginnt die neue Saison. Da muss er springen, da will er springen. Und er freut sich darauf. „Die Situation ist nicht so schlecht, so kann ich mich gleich meinen Landsleuten präsentieren.“ Die würden am liebsten Kamil Stoch als Sieger sehen. Klar will der dies auch, aber nicht wegen des Heimsieges. „Natürlich will ich auf einem Niveau springen, auf dem ich gewinnen kann, weil mich das dann glücklicher und zufriedener macht.“ Unter Druck setzen möchte er sich jedoch nicht. Weder von sich selbst noch von seinen außen. „Ich will jetzt nur noch Spaß haben, muss mich nicht mehr stressen, dass ich alles gewinne“, sagt er. Er hat schon alles gewonnen. Mindestens ein Mal.

„Wir haben nach der Saison nur zwei Tage Pause gehabt“

Kamil Stoch

Olympiasieg, Gesamt-Weltcup, Vierschanzentournee, Weltmeister – wie ordnet Kamil Stoch diese Erfolg ein? Es folgt eine kleine Pause, in der er nachdenkt. Dann sagt er: „Emotional ist für mich jeder Erfolg ein herausragender Sieg.“ Nur er wisse, wie viele Anstrengungen und Entbehrungen dahinter stünden. Unzählige Stunden im Kraftraum und Sporthalle, viele Sprünge, permanentes Koffer packen und reisen zum nächsten Wettkampfort. Damit sind auch Trennungen von der Familie verbunden. „Jeder noch so kleine Erfolg ist eine herausragende Belohnung für diese Entbehrungen“, sagt er, „deshalb will ich nicht bewerten, welcher Erfolg oder welche Trophäe wichtiger oder schöner ist.“

Dass der frühe Trainingsstart auch seine privaten Planungen durcheinander gewirbelt hat, darüber will sich Kamil Stoch nicht beschweren. Allzu gerne nämlich hätte er das Haus, an dem er schon seit vier Jahren arbeitet, zu Ende gebaut. „Ich benötige noch ein paar Monate“, sagt er. Doch über den Winter ruhen die Bauarbeiten, weil der Bauherr seiner eigentlichen Arbeit nachgeht. Und die möchte er gerne wieder so erfolgreich wie möglich absolvieren. Und vielleicht darf er dann nach der kommenden Saison ein wenig mehr pausieren.