Grizzlys suchen Konstanz

Nach zehn erfolgreichen Jahren hat Pavel Gross seinen Trainerposten bei den Wolfsburg Grizzlys geräumt. Der nötige Umbruch fällt dem Eishockey-Verein bisher eher schwer

Welten­bummler Hans Kossmann soll bei den Grizzlys Wolfsburg den richtigen Ton treffen Foto: Armin Weigel/dpa

Von Christian Otto

Diese etwas anderen Sprachkurse, die die Eishockeyprofis der Wolfsburg Grizzlys in diesem Jahr absolvieren müssen, verlangen ihnen eine Menge ab. Zehn Jahre lang war man in diesem erfolgsverwöhnten Verein darin geübt, auf herb klingendes Deutsch mit tschechischem Akzent zu hören. Gesprochen wurde es von Pavel Gross. Ihn hatten sie alle gut verstanden. Mit ihm war der Verein Stammgast, wenn es nach der normalen Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) darum ging, in den Play-offs um den Titel zu streiten. Aber Gross ist zum Liga-Rivalen Mannheimer Adler gewechselt und auf der Karriereleiter nach oben geklettert. Vor allem deshalb ist so manches in Wolfsburg durcheinandergeraten. Nicht nur das Vokabular.

Der erste Nachfolger von Gross war Pekka Tirkkonen. Doch der Finne scheiterte mit Niederlagen in Serie schnell. Aktuell gibt mit Hans Kossmann ein Kanadier mit Schweizer Wurzeln den Ton an. „Ich denke, ich bin ein Trainer, der mit Druck auf die Scheibe spielt“, sagt der 56-Jährige. Schnell und einfach möchte er es taktisch haben, damit es in der Tabelle wieder aufwärts geht.

Wenn Kossmann seine Idee vom Eishockey in Wolfsburg erklärt, klingt er mit seiner kanadisch geprägten Art nicht wie ein Schweizer, sondern wie ein weitgereister Weltenbummler. Ob die Spieler wirklich verstehen, was der neue Trainer von ihnen verlangt, muss sich erst noch zeigen. In den ersten vier Spielen – unter seiner Regie und vor der aktuellen Länderspielpause – konnten die Grizzlys mit Kossmann bisher einen Sieg bejubeln. Das ist keine Bilanz, die aufhorchen lässt.

Den Wolfsburg Grizzlys steht eine schwere Zeit bevor. Ein Jahrzehnt hatten sie mit dem unermüdlich antreibenden Gross einen Cheftrainer an der Bande, dem es auf wundersame Weise gelungen war, aus relativ wenig viel zu machen. Die Grizzlys gehören in Deutschland zu den Vereinen, deren finanzielle Wucht begrenzt bleibt. Dank des sportlichen Leiters Karl-Heinz Fliegauf war es trotzdem immer wieder gelungen, zur Elite der DEL zu gehören. Wer bei den Gegnern nachfragte, warum es so schwer ist, gegen Wolfsburg zu gewinnen, stieß auf jede Menge Respekt. Die geben nie auf, die spielen irgendwie anders, die sind echt unangenehm: Gross formte aus den Grizzlys ein Team, vor dem die Konkurrenz Respekt hatte.

Ob die Spieler wirklich verstehen, was der neue Trainer von ihnen verlangt, muss sich erst noch zeigen

Wie macht man das bloß? Das Alte abhaken, weil es nicht zu kopieren ist und das Neue entdecken, mit dem es wieder vorangeht? Kossmann ist als Cheftrainer bisher vor allem in der Schweiz unter Vertrag gewesen. In der DEL wird seiner Ansicht nach deutlich körperbetonter gespielt. Als dritter Grizzlys-Trainer innerhalb eines Jahres steht er angesichts vieler verletzter Spieler vor einer ex­trem kniffligen Aufgabe. Dass die Fans in Wolfsburg noch relativ ruhig bleiben, dürfte zwei Gründe haben. Nach 17 Spieltagen ist es für Fatalismus viel zu früh. Und mit Fliegauf bleibt dem Verein eine wichtige Konstante, die Kossmann helfen kann. Der Routinier ist Sportdirektor und Geschäftsführer in Personalunion. Sein Gespür dafür, wie man einen Spielerkader zusammengestellt, wird in der Branche als erstklassig eingestuft.

Der Umbruch bei den Grizzlys sieht wie ein Kraftakt aus, der viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Eine stark veränderte Mannschaft soll sich schon wieder auf den nächsten Trainer einstellen. In den vergangenen zehn Jahren dreimal das Finale um die deutsche Meisterschaft erreicht zu haben, wirkt nicht wie ein Ansporn, sondern wie schwerer Ballast. Als Vorletzter der Tabelle blickt der Eishockey-Standort Wolfsburg neidisch in Richtung Mannheim.

Dort stellt Gross gerade unter Beweis, dass er ein Großer seiner Sportart ist. Die Mannheimer Adler sind mit ihm souveräner Tabellenführer.