Anna Klöpper
Der Wochenendkrimi
: Große Frage im Rostocker „Polizeiruf“: Ist das gerecht oder kann das weg?

Bukow (Charly Hübner) im küstennahen Regen, der natürlich von der Seite kommtFoto: Christine Schroeder/NDR

Die ARD macht mal wieder eine Themenwoche, dieses Mal geht es um: Gerechtigkeit. Und auch der Sonntagskrimi muss da selbstverständlich seinen Beitrag leisten – bietet sich bei dem Genre ja auch an. Um Gerechtigkeit muss man oft streiten, und manchmal sind Recht und Unrecht auch nicht so gut zu unterscheiden. Zwei Kalenderblatt-Weisheiten, die sich in diesem „Polizeiruf 110“ auch das Rostocker Ermittlerduo König (Anneke Kim Sarnau) und Bukow (Charly Hübner) auf die Kaffeetasse drucken lassen könnten. Aber keine Angst, „Für Janina“ hat viel mehr Schwung, als man jetzt vermuten mag: Eine ehemalige Kollegin taucht in der Amtsstube von Bukows und Königs Chef Röder (Uwe Preuss) auf, und geht dem mal wieder gehörig auf die Nerven. Frau Stöcker (Hildegard Schmahl) geht es um ihre Tochter, Janina, die kurz vor der Wende vergewaltigt und ermordet in der Nähe des Rostocker Hafens gefunden wurde. Damals verliefen alle Spuren im nirgendwo. Preuss, der damals die Ermittlungen leitete, gab auf.

Für Kommissarin König ist Aufgeben hingegen keine Option: „100 Prozent Aufklärungsquote, vergessen Sie das nicht!“ König überredet ihre Kollegen, den Fall noch mal aufzurollen. Vor allem am Freispruch des damals Angeklagten Guido Wachs (Peter Trabner) gab es Zweifel – und tatsächlich: Ein erneuter DNA-Test zeigt, dass Wachs Janinas Mörder gewesen sein muss.

So viel kann hier verraten werden, denn die Geschichte fängt damit erst an. Weil Wachs freigesprochen wurde, kann er nun nämlich nicht noch mal wegen derselben Sache vor Gericht gebracht werden. Das verbietet das deutsche Strafrecht, genauer gesagt Paragraf 362 der Strafprozessordnung, wie der Zuschauer belehrt wird.

Bei der Gelegenheit: Wann entdecken deutsche Krimi-Serien endlich das Stilmittel der direkten Ansprache an die Zuschauerschaft à la „House of Cards“? Dann klingen diese furchtbaren Dialoge zu Info-Blöcken über Strafrecht oder künstliche Intelligenz oder steigende Mieten vielleicht endlich weniger hölzern.

Also der Paragraf 362: Spricht der nun Recht oder ist er ein großes Unrecht? Janinas Mutter empfindet ihn vor allem als Letzteres. König, der 100-Prozentigen, geht es genauso. Und weil sie sich nicht damit abfinden will, dass Wachs im Recht ist, obwohl er zu Unrecht frei draußen herumläuft, versucht sie die Gerechtigkeit herbeizuzwingen. Ob das in Ordnung geht, darüber darf der/die ZuschauerIn dann hübsch selbst nachdenken.

Rostock-„Polizeiruf 110“: „Für Janina“, So., 20.15 Uhr, ARD