Bärbel Kofler über Saudi-Arabien: „Nicht jedes Geschäft machen“

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, fordert von Politik und Wirtschaft eine klare Haltung zu Saudi-Arabien.

Ein Boot für den Küstenschutz wird verladen

Ein Patrouillenboot für Saudi-Arabien wird im Hafen Mukran auf ein Transportschiff verladen Foto: dpa

taz: Frau Kofler, wie beurteilen Sie die derzeitige Menschenrechtslage in Saudi-Arabien?

Bärbel Kofler: Die Lage ist schlicht katastrophal. Das Land hat weltweit eine der höchsten Raten an Todesstrafen. Es werden brutalste Bestrafungsmethoden angeordnet. Frauen haben so gut wie keine Rechte, ganz unabhängig davon, dass sie nun auch Autofahren dürfen. Das ist für mich kein Indikator dafür, dass sich die Menschenrechtslage verbessert hat.

Zudem werden etliche Menschen als politische Gefangene in den Haftanstalten festgehalten. Unvergessen ist auch der Fall des Bloggers Raif Badawi, der seit einigen Jahren im Gefängnis sitzt und mit Stockschlägen und einer immens hohen Geldstrafe bestraft wurde. Nur weil er in einem Blog seine Meinung geäußert hat.

Das Bild, das Sie skizzieren, ist also alles andere als positiv. Trotzdem hat die Bundesregierung Waffengeschäfte in Millionenhöhe mit Saudi-Arabien vereinbart, das hat nicht zuletzt der aktuelle Rüstungsbericht gezeigt.

Ich bin generell gegen Waffenexporte in Länder, in denen drastische Menschenrechtsverletzungen vorkommen. Auch bei der Art der Geschäfte – also ob es sich um Waffenlieferungen handelt oder um Patrouillenboote – darf es keinen Unterschied geben. Es gibt nach wie vor hohe Exporte, die Genehmigungen wurden zum Teil vor Jahren erteilt.

Geliefert wird aber heute oder in den kommenden Monaten. Brauchen wir angesichts der Lage nicht einen sofortigen Lieferstopp?

Die Geschäfte müssen abgebrochen werden – aus menschenrechtlicher Sicht gibt es dazu keine Alternative. Schwierig wird es natürlich, wenn es um Verträge und Abmachungen geht. Aber ich halte es für falsch, dass zum Beispiel die Patrouillenboote geliefert werden.

Als Menschenrechtsbeauftragte gehören Sie der Bundesregierung an. Was muss nun passieren?

Auch in einer oft machtlos erscheinenden Lage müssen wir eine klare Haltung haben gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. Es müssen diplomatische Kanäle erhalten und neu geschaffen werden, um diese Themen anzusprechen. Dazu muss man die Verantwortlichen erreichen.

Bärbel Kofler, 51, SPD, ist seit 2016 Beauftragte der Bundes­regierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt.

Dazu gehört aber auch die Wirtschaft. Welche Erwartung haben Sie an Firmenchefs, die Geschäfte mit Saudi-Arabien machen?

Bei der Großinvestorenkonferenz in Riad kommende Woche muss es ein klares Signal geben für die Einhaltung der Menschenrechte. Alle Akteure, die Kontakte nach Saudi-Arabien haben, müssen diese auch nutzen. Ein Beispiel ist Christine Lagarde, die Chefin des Weltwährungsfonds, die der Konferenz eine Absage erteilt hat.

Joe Kaeser, Siemens-Chef, will aber kommen. Wie kann man das Dilemma zwischen Profiten und der Akzeptanz einer verheerenden Lage für die Bevölkerung auflösen?

Nur anderes Handeln löst dieses Dilemma auf. Die Politik hat sich klar dazu geäußert, was wir unter Wirtschaft und Menschenrechten verstehen. Es ist eindeutig, dass nicht mit jedem jedes Geschäft gemacht werden sollte. Bei Rüstungsexporten könnte man solche Leitlinien auch in ein Gesetz fassen.

Wie könnte diese Vorgabe aussehen?

Den Vorschlag gab es ja bereits in der vergangenen Legislaturperiode. Es müssen klare Regeln drin stehen, zum Beispiel, wenn es darum geht, aus einem Geschäft wieder auszusteigen, weil sich die Lage geändert hat. Wenn Menschenrechte verletzt werden, dann muss man Vereinbarungen auflösen können.

Glauben Sie an eine Verbesserung der Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien?

Man hört von der einen oder anderen Erleichterung – etwa dass Frauen sich an Kom­munalwahlen beteiligen können. Aber es gibt nach wie vor harte Menschenrechtsverletzungen.

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