Schwere Schlappe für Bayer vor US-Gericht

Zwar wurde die von Bayer zu zahlende Summe stark reduziert. Dennoch kracht’s an der Börse

Die Risiken erscheinen an der Börse immer höher: Am Tag nach dem harten Urteil im fernen San Francisco stießen viele Börsianer in Deutschland Bayer-Aktien ab: Der Kurs sank bis zum Dienstagnachmittag auf unter 68 Euro, fast 12 Prozent weniger als am Vortag.

Dabei dürfte es aus Unternehmenssicht zunächst gar nicht so übel klingen, dass das US-Gericht in Kalifornien die Schadenersatzsumme gegen die Bayer-Tochter Monsanto von 289 auf 78 Millionen US-Dollar stark reduzierte. Aber: Die Analysten hatten damit gerechnet, dass der Fall gänzlich neu aufgerollt – und damit neu für Monsanto bewertet wird. Doch das Urteil gegen das Unternehmen, das eine Geschworenenjury im August gefällt hatte, blieb im Grundsatz bestehen. Die Richterin Suzanne Ramos Bolanos reduzierte zwar die Entschädigungssumme, sah jedoch einen für Monsanto fatalen Zusammenhang als erwiesen an: den zwischen der Nutzung von Unkrautvernich­tern der Bayer-Tochter mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat und der Krebserkrankung eines 46-jährigen Platzwarts.

Bayer will Berufung einlegen

Der neue Gerichtsspruch im ersten von wahrscheinlich vielen solcher Prozesse in den USA zeigt, dass Monsanto für den Bayer-Konzern weiter ein hohes Risiko bleibt. Dabei hatte sich Bayer das ganz anders vorgestellt. Der deutsche Pharma- und Chemiekonzern mit 100.000 Mitarbeitern hatte den Saatgutriesen aus St. Louis mit gut 23.000 Mitarbeitern in diesem Jahr für gut 63 Milliarden Dollar gekauft. Es sind aber allein in den USA noch rund 8.700 weitere Klagen gegen Monsanto anhängig, weil dessen Unkrautvernichter Roundup Glyphosat enthält, ein Wirkstoff, der möglicherweise Krebs erzeugt (siehe links).

Auch wenn Bayer am Dienstag umgehend ankündigte, Berufung gegen die neue Entscheidung einzulegen, könnte der Fall nun bis vor das oberste US-Gericht gehen – das bedeutet jahrelange Unsicherheit für das Unternehmen. Diese Unsicherheit ist Gift auch für Konzerne, die mit Gift handeln.

Die Reduzierung des Strafschadenersatzes durch das Gericht sei „ein Schritt in die richtige Richtung“, hieß es bei Bayer. Doch man sei nach wie vor überzeugt, dass das Urteil im Widerspruch zu den im Prozess vorgelegten Beweisen stehe, teilte der DAX-Konzern mit.

Der Kläger muss sich entscheiden

Die Geschworenen des Gerichts in San Francisco hatten Monsanto in ihrem Urteil vom August noch zu einer Strafzahlung von insgesamt 289 Millionen Dollar verurteilt: 39 Millionen Dollar für den gesundheitlichen Schaden Johnsons sowie 250 Millionen Dollar als abschreckende Strafmaßnahme. Vor knapp zwei Wochen gab Richterin Bolanos aber vorläufig dem Antrag des US-Saatgutriesen statt, den Fall neu zu verhandeln. Daraufhin drängten mindestens fünf der Geschworenen Bolanos schriftlich dazu, das Urteil doch zu bestätigen. Das tat die Richterin nun, schlug aber eine Senkung des Strafanteils vor.

Der Kläger Dewayne Johnson muss nun bis zum 7. Dezember mitteilen, ob er diese Summe akzeptiert. Falls nicht, würde das Strafmaß doch noch in einem weiteren Prozess neu verhandelt werden. Johnson hatte Monsanto-Unkrautvernichter wie Roundup und Ranger Pro für seinen Lymphdrüsenkrebs verantwortlich gemacht. Die Geschworenenjury war im August der Argumentation seiner Anwälte weitgehend gefolgt. Sie hatten es nicht nur als erwiesen angesehen, dass Monsantos Produkte Krebs verursachen, sondern auch, dass der Hersteller vor den Risiken nicht ausreichend gewarnt und sogar vorsätzlich gehandelt habe.

„Der Kauf von Monsanto war eine klare Fehlentscheidung“, teilte die Grünen-Politikerin Renate Künast mit. Das bekomme Bayer jetzt „auf die harte Tour“ zu spüren. Statt auf Warnungen zu hören, mache sich der DAX-Konzern das „giftige System Monsanto“ zu eigen: Zum Schaden der Bauern, der Verbraucher und jetzt auch der eigenen Aktionäre. Auch wenn die Strafzahlung abgemildert wurde, so zeige die erfolgreiche Klage in den USA, dass Monsanto für Bayer finanziell und gesellschaftlich „zu einem Fass ohne Boden“ geworden sei.

Kai Schöneberg