american pie
: Anfänger mit Überblick

Luka Dončić, 19, begeistert bei den Dallas Mavericks und verschafft Dirk Nowitzki Ruhe

Das Sakko grau, die Krawatte in einem sehr dunklen Rot, dazu ein weißes Hemd. Fast schien es, als hätte Dirk Nowitzki die gedeckten Farben gewählt, um am Rand des Spielfelds möglichst wenig aufzufallen. Die deutsche Basketballlegende saß am Montag im Anzug auf der Bank der Dallas Mavericks, um zuzusehen, wie die Zukunft ohne ihn aussehen soll.

Die Zukunft heißt Luka Dončić, ist erst 19 Jahre alt und stammt aus Slowenien. Als Nowitzki aus Würzburg ins ferne Texas aufbrach, um dort der Säulenheilige der Mavericks zu werden und ihnen die einzige NBA-Meisterschaft ihrer Geschichte zu bringen, war Dončić noch nicht einmal geboren. Nun soll er aber nicht nur mittelfristig das Erbe des aktuell noch an den Nachwirkungen einer Knöcheloperation im Mai laborierenden Deutschen übernehmen, sondern nach Jahren im Tabellenkeller die Mavs noch einmal in die Play-offs führen, um Nowitzki in seiner höchstwahrscheinlich letzten Saison einen würdigen Abschied zu verschaffen.

Schon jetzt, nach gerade einmal drei Spielen in der NBA, hat man das Gefühl, dass Dončić der Maverick mit dem besten Überblick ist und – trotz seiner erst 19 Jahre – meist die richtigen Entscheidungen trifft. Der 115:109-Heimerfolg der Mavs gegen die bislang sieglosen Chicago Bulls war zwar wenig überzeugend, aber immer dann, wenn Dončić am Ball war, kehrte Ruhe ein. „Fantastisch“ sei die Fähigkeit Dončić, die gegnerische Verteidigung zu lesen und auseinander zu nehmen, hatte Nowitzki seinen Nachfolger vor der Saison nach wenigen gemeinsamen Trainingseinheiten gelobt: „Er spielt mit einer Intelligenz, die ich in dem Alter nicht hatte – die ich vielleicht bis heute nicht habe.“

Damit hatte Nowitzki, der noch mindestens bis Ende des Monats seinen Knöchel auskurieren soll, die Lacher auf seiner Seite, aber tatsächlich: Dončić wirkt für sein Alter extrem erfahren und abgeklärt, aber das ist auch kein Wunder. Er war schon lange „The Slovenian Sensation“, bevor er in die NBA kam. Mit 16 Jahren spielte er für die erste Mannschaft von Real Madrid, mit 17 für die Nationalmannschaft. Er war 18 Jahre alt, als er mit Slowenien im Sommer 2017 Europameister wurde, er war 19, als er Real im vergangenen Mai zum EuroLeague-Titel führte und zum besten Spieler des Final Four gekürt wurde. Anschließend gewann er mit seinem damaligen Klub die spanische Meisterschaft und wurde auch noch zum besten Spieler der spanischen Liga gewählt.

Vor dem NBA-Draft in diesem Sommer glaubten einige Experten, Dončić wäre der beste Spieler, der bei der alljährlichen Talentvergabe zur Auswahl stand. Seit es Dallas gelang, sich den Slowenen an dritter Stelle zu sichern, glaubt der Klub aus Texas daran, dass ihm womöglich ein ähnliches Schnäppchen gelungen ist wie dem Gegner vom Montag im Jahr 1984: Damals wählten die Chicago Bulls einen gewissen Michael Jordan ebenfalls als dritten Spieler des Drafts.

Im Vergleich zu manch anderem Jungstar wirkt der 2,01 große Dončić langsam und wenig austrainiert. Athletik, so die Experten, sei sein Manko. Tatsächlich erwartet auch Nowitzki, dass Dončić „mit dem größeren Tempo und der Athletik in der NBA seine Probleme haben wird“, ihm in letzter Konsequenz aber der Übergang gut gelingen wird. Bislang sieht es so aus, als würde der lange Deutsche, der in dieser Saison für die Mavericks von der Bank kommen soll, Recht behalten: Gegen die Bulls sammelte Luka Dončić 19 Punkte, verteilte mit sechs die meisten Assists und sicherte mit einem späten Korb den zweiten Sieg im dritten Saisonspiel. Sieht ganz danach aus, als könnte es sich Dirk Nowitzki auf Dauer auf der Bank gemütlich machen. Thomas Winkler