Tim Caspar Boehme
Leuchten der Menschheit
: Ich bin meine Maschine

Maschinen sind überall. In unseren Händen, auf Schreibtischen, in Wohnzimmern, auf Straßen, in Fabrikhallen, in der Luft, zu Wasser, im Orbit. Und nicht nur dort: In uns selbst laufen Maschinen, der Gencode etwa, als Betriebssystem und Bauprogramm zugleich. Auch die Sprache, in der diese Ideen formuliert werden, ist eine Maschine aus Zeichen und Regeln für ihre Verknüpfung. Kaum etwas unter der Sonne, das nicht zur Maschine taugen würde.

Über dieser wundersamen Maschinenvermehrung wird der Begriff zunehmend unscharf, so der Kulturtheoretiker Martin Burckhardt in seinem Buch „Philosophie der Maschine“ (Matthes & Seitz, 2018). Längst ist von „Wohnmaschinen“, „Gesellschaftsmaschinen“ und „Wunschmaschinen“ die Rede, er selbst spricht schon mal von „Buchmaschinen“. Für ihn stellt sich da die Frage: „Wovon reden wir überhaupt?“ Zugleich, so Burckhardt, wurde die Maschine im Denken zur „zentralen Vernunftmetapher“ geadelt, ist aber ein „blinder Fleck“ der Philosophie geblieben. Für ihn bilden Maschinen daher das „Unbewusste der Philosophie“, ein „Denken ohne Denker“.

Burckhardt findet viele sehr gut klingende Sätze, um die Maschinenfrage zu umkreisen und einzukreisen. Es leuchtet auch ein, wenn er am Beispiel des Smartphones die prinzipielle Offenheit von Maschinen illustriert, die hinter ihrer Benutzeroberfläche von der Kamera über den Multimediaplayer bis zum, ja, Fernsprecher, eine Vielzahl von Funktionen erfüllen. Das verwirrt: „Je näher man der Maschine kommt, desto fremder blickt sie zurück.“

Für Verwirrung sorgt auch, wenn Burckhardt manchmal testweise – oder rhetorisch – eine Erklärung probiert, um sie im nächsten Moment wieder zu verwerfen: „Jedoch lässt eine solch voreilige Antwort alle Fragen zerschellen, bevor wir uns auf die Suche begeben und die Philosophie der Maschine flottgemacht hätten.“ Oder er resümiert an anderer Stelle „– eine Operation, die unseren Erklärungsnotstand nur weiter wachsen lässt.“

Warum, kommt einem beim Lesen die Frage, lässt er derlei dann nicht einfach bleiben? Will er die Leser sämtliche Bewegungen seines Denkens nachvollziehen lassen, ob sie nun in eine Sackgasse führen oder nicht? Oder läuft in solchen Momenten bei ihm die Maschine der Sprache heiß und verselbständigt sich?

Was nicht nötig wäre, denn das Buch steckt voller Ansätze und Überlegungen, die zum Denken anregen. Ohnehin handelt es sich eher um Vorüberlegungen zu einer Philosophie der Maschine: „Sich an eine Philosophie der Maschine zu wagen, verlangt nichts Geringeres, als dass man sich auf das Gedankenlabyrinth einlässt, sich den Strukturen und Gesetzmäßigkeiten der universalen Maschine aussetzt, ohne sie verabsolutieren zu wollen.“ Wie hätte der Kybernetiker Heinz von Foerster gesagt? „Ich bin meine Maschine.“

Der Autor ist Filmredakteur der taz.