Mit
Rechten
leben

Eher ein Irrlicht als ein Protagonist der rechten Szene: Matthias Mattussek, früher einmal Kulturchef des Spiegel, spricht auf der Hamburger „Merkel muss weg !“-Demo am Dammtor-Bahnhof Foto: Markus Scholz/dpa

Sie sind unter uns, manche sichtbar, andere im Hintergrund. Aber sie sind da: Seit über 20 Jahren unterrichtet Karlheinz Weißmann am Gymnasium Corvinianum in Northeim. Seine Fächer an der niedersächsischen Schule: Geschichte und Religion. Bis heute gilt Weißmann, Stammautor der Jungen Freiheit und Mitbegründer des „Instituts für Staatspolitik“, als einer der führenden Neuen Rechten. Er hat das Magazin Cato mit angestoßen und schon im Januar 1988 wies er im inzwischen eingestellten Magazin Criticón der damals gerade erschienenen Jungen Freiheit ihre Aufgabe zu: „In einer pluralistischen Gesellschaft definiert sich der Einfluss nicht alleine (…) durch ihren sichtbaren Anteil an der politischen Macht. Worauf es ankommt, das ist zunächst die Besetzung von Feldern im vorpolitischen Raum.“ Die Linke verfüge über ein „Kapillarsystem (…), um Informationen und Lebensgefühl“ durchsickern zu lassen, deswegen sei „das Erscheinen“ der Jungen Freiheit „besonders erfreulich“.

Im Verlag der Wochenzeitung ist auch Weißmanns jüngstes Buch „Kulturbruch ’68 – Die linke Revolte und ihre Folgen“ erschienen. In den 252 Seiten liefert er Argumente für die „Kritik am „Totalitarismus“ der 68er, die Werte und Normen für Volk und Familie zersetzt hätten. Am 21. September warnte er in seiner Kolumne „Gegen-Aufklärung“ in der Jungen Freiheit die Neue Rechte vor einer Querfrontstrategie mit der Linken. Doch nicht nur die Linke sei verheerend, sondern auch das „liberale Syndrom“ beziehungsweise der „Liberalismus“, da dessen Vertreter „keine Gemeinschaft, keine Identität, keine Bindung jenseits der Ratio und keinen unaufhebbaren Antagonismus“ anerkennen würden, schrieb er zuvor.

Geld statt Argumente

In der Jungen Freiheit war auch Folkard Edler präsent. Der Hamburger Reeder lieferte jedoch weniger Argumentationshilfen als vielmehr Kapitel. Zwei Darlehen à 500.000 Euro gewährte er der AfD. Das erste Darlehen war für ein halbes Jahr vereinbart. Die AfD sicherte ihm 40 Prozent der Einnahmen aus der Wahlstimmenerstattung als Sicherheit und zur Tilgung zu. Vom zweiten Darlehen muss die AfD nach Auskunft des ehemaligen Bundessprechers Bernd Lucke jährlich 100.000 Euro zurückzahlen, sofern sie mindestens 200.000 Euro in der Kasse hat. Sollte der Partei das Geld ausgehen, würde ihr Edler nach fünf oder acht Jahren die restlichen Schulden erlassen. Der Zins von zwei Prozent pro Jahr lässt Zweifel aufkommen, ob es sich um ein echtes Kreditgeschäft handelt.

Politischen Diskursraum wollteWaldemar-Fred Anton der AfD an der Elbe ermöglichen. Als Stifter ist er äußert agil. Für seine gemeinnützige „Gisela und Dr. Fred Anton Stiftung“ finden sich gleich zwei Namen im Internet: „Stiftung Alkoholprävention“ und „Dr. Anton Stiftung für politische Bildung“. Für letztere wird auf der Webseite versichert: „Die Stiftung ist überparteilich und um Neu­tralität bemüht.“ Im Februar 2017 organisierte sie gleich mehrere Veranstaltungen. Die Referenten: ausschließlich von der AfD. „Ich bin selbst Mitglied der AfD“, sagte er der taz und betonte, dennoch eine „kontroverse Debatte“ anzustreben. Beruflich führt Anton das Unternehmen „Dr. Anton Training & Beratung“ mit Angeboten speziell für Führungskräfte, Verkäufer sowie für alle Mitarbeiter mit Kundenkontakt. Unter „Referenzen“ führt die Webseite unter anderem Aral, Bosch, Coop, Hapag Lloyd, HEW, den Otto-Versand und die Volksfürsorge als Kunden auf.

Mit dem politischen Einfluss von Alten Herren der extremen rechten HamburgerBurschenschaft Germania befasst sich Felix Krebs vom „Hamburger Bündnis gegen Rechts“. Ihm fiel ein Alt-German als Logistik-Manager auf, der 2015 zusammen mit dem damaligen Bürgermeister und heutigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in einem Wirtschaftsmagazin bei der Einweihung einer Immobilie im Hafen abgelichtet wurde. „Ein habilitierter Germane leitet seit 2016 eine Abteilung des Hamburger Universitätskrankenhauses“, sagt Krebs.

Bis heute hallt ein Konflikt an der Freien Waldorfschule Rendsburg nach. Vor vier Jahren trennte sich die Schule von einem sehr geschätzten Mitarbeiter der Schulverwaltung – wegen der Nähe zur Reichsbürger Bewegung. Er ließ eine Reichsbürger-Gruppe Schulräum­lichkeiten nutzen und reiste zur Krönung des „Königs von Deutschland“.

Finanzbeamter in Wut

2015 warf ein Hamburger Finanzbeamter im schleswig-holsteinischen Escheburg einen Brandsatz. In seiner direkten Nachbarschaft sollten sechs Geflüchtete einziehen. Mit weiteren Anwohnern hatte er sich aggressiv bei den zuständigen Verwaltungsstellen beschwert. Vom „Wutbürger“ wurde er zum „Tatbürger“. Er sah die schöne Idylle der gehoben Adresse als gefährdet an.

AuchGerd Schultze-Rhonhof sieht die Sicherheit gefährdet – sogar in noch anderen Dimensionen. Der Generalmajor a. D. und Mitglied beim Rotary Club Buxtehude wird nicht müde, die Schuld am Zweiten Weltkrieg nicht allein bei Deutschland zu sehen. Mit „1939 – Der Krieg hat viele Väter“ etablierte er sich als einer der Geschichtsrevisionisten. In diesem Milieu tummeln sich immer wieder Offiziere a. D. in der Sorge um Volk und Vaterland. Die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft, aktiv in Hamburg, Kiel und Hannover, bietet ihnen oft ein Forum.

In „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ hält Hannah Arendt 1951 der „geistigen und künstlerischen Elite“ vor, in den 1920er- und 1930er-Jahren mit Sehnsucht und Leidenschaft politische Tabubrüche gesucht und antizivilisatorische Affekte gesetzt zu haben. In einem Bündnis von „Elite und Mob“ hätten sie die „totalitäre Bewegung“ mit etabliert. Ein Vorwurf, der fast vergessen scheint und den die gebildeten „Ich bin ja kein Nazi, aber ...“-Vertreter aus der bürgerlichen Mitte brüsk von sich weisen.

„Es gibt auch erklärte Gegner der Aufklärung, die sich offen für das Ressentiment und die exklusive Gruppenmoral entscheiden, weil sie schon das Nachdenken über Menschenrechte für einen Irrweg halten“

Bettina Stangneth, Philosophin

In Arendts Kritik an den Eliten aus der Mitte schwingt auch die Annahme mit, dass selbstständiges Denken an und für sich vor antizivilisatorischen Affekten bewahrt werden müsse. „Eine gefährliche Blindheit“, konstatiert Bettina Stangneth in der Reflexion zu Arendts These der „Banalität des Bösen.“ Die in Hamburg lebende Philosophin möchte im Philosophie Magazin – Sonderausgabe Hannah Arendt vom Juni 2016 die These nicht verwerfen, wirft aber ein: „Wir neigen ja auch nicht zufällig dazu, die Anhänger von AfD und Pegida für schlicht unterbelichtet zu halten, sodass etwas höhere Bildungsausgaben reichen würden, damit das Phänomen verschwindet.“

Gegner der Aufklärung

Diese Annahme sei mehr als eine „intellektuelle Arroganz“, denn es gebe nicht „nur Unaufgeklärte“, es gebe auch „erklärte Gegner der Aufklärung, die sich offen für das Ressentiment und eine exklusive Gruppenmoral entschieden“ haben, „weil sie schon das Nachdenken über Menschenrechte für einen Irrweg halten“.

Stangneths Fazit: „Wir müssen lernen, mit dieser Möglichkeit zu rechnen und den Unterschied zwischen zu wenig und zu viel Denken zu erkennen.“