Ministerrücktritt kratzt an Macron

Frankreichs Innenminister Collomb schmeißt hin. Zuvor hatte der Präsident sein Gesuch noch abgelehnt

Aus Paris Rudolf Balmer

Die französische Öffentlichkeit wurde seit Wochenbeginn Zeuge eines unglaublichen Hin und Her an der Staatsspitze. Das Gerangel um die Rücktrittswünsche von Innenminister Gérard Collomb hat in der Nacht auf den Mittwoch vorerst mit dem Abgang geendet: Gegen den ausdrücklichen Wunsch von Staatspräsident Emmanuel Macron tritt Collomb mit sofortiger Wirkung zurück. Nachdem Macron ein erstes Rücktrittsangebot des Ministers noch abgelehnt hatte, akzeptierte der Präsident Collombs Ansinnen nun aber.

Collomb hinterlässt damit ein Vakuum an der Staatsspitze. Mit ihm setzt sich einer der Ersten ab, die 2016 an die Chancen des damaligen jungen Wirtschaftsministers Macron geglaubt haben. Als eine Art väterlicher Mentor ist der ehemalige Sozialist und Bürgermeister von Lyon nicht einfach durch eine Nominierung oder eine interne Rochade in der Regierung ersetzbar.

Zudem hat niemand vergessen, dass vor einem Monat bereits der Staatsminister für Umwelt und Klimawandel, der sehr populäre Nicolas Hulot, frustriert das Handtuch geworfen hat. Macron hat sukzessive die Nummer drei und Nummer zwei in der Regierungshierarchie verloren. In beiden Fällen gegen seinen Willen.

Gravierend ist für den Staatschef die Tatsache, dass Collomb mit seinem Abgang seine Autorität offen infrage stellt. Macron bat ihn noch am Dienstagnachmittag inständig zu bleiben, doch wenige Stunden später erklärte Collomb ungerührt, dass er nicht auf diese Entscheidung zurückkommen wolle. Sein Beharren auf dem Rücktritt wird so zum unübersehbaren Zeichen einer Schwäche des Präsidenten. Da dieser nicht mit einem solchen Ungehorsam eines Getreuen gerechnet hatte, musste er improvisieren: Bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Collomb gefunden wird, muss Premierminister Edouard Philippe als Interimsinnenminister fungieren. So lässt sich wenigstens Zeit gewinnen in der Hoffnung, dass sich auch die Öffentlichkeit beruhigt.

Seit Wochen war bekannt, dass Collomb aus der Regierung ausscheiden wollte, um seine bereits lange Karriere in der Stadt Lyon fortzusetzen, wo er schon von 2001 bis 2017 Senator und Bürgermeister war. Dass ihm aber die Rückkehr ins Rathaus von Lyon wichtiger erscheint als ein Ministerposten, von dem er früher nur träumen konnte, hat in Frankreich trotzdem erstaunt. Merkwürdig mutete auch an, dass er seinen Rücktritt bereits lange im Voraus ankündigte: Er wolle nach den Europawahlen im Frühling 2019 gehen, um so für seine Kandidatur bei den Kommunalwahlen von 2020 freie Hand zu haben.

Die Opposition witterte sofort ihre Chance zur Kritik an einem Staatsminister, dem seine eigenen Ambitionen wichtiger seien als die Sicherheit seiner Landsleute, für die er als Innenminister die Verantwortung trägt. Auch in den eigenen Reihen erntete der Minister hämische Bemerkungen.

Collomb allerdings ging es wohl nicht allein um seine lokalpolitischen Ambitionen, vielmehr hatte er sich schon länger von seinem Schützling Macron entfremdet. Vor Journalisten kritisierte er die „mangelnde Demut“ des Präsidenten. Er isoliere sich, indem er auf niemanden mehr höre und dafür mit Ausdrücken wie „Start-up-Nation“ einen Jargon spreche, den Collomb als Provinzler nicht verstehe.