Von Santa Maria ins All

Auf der Atlantikinsel will Portugal eine Satellitenabschussrampe bauen. Kritiker befürchten, das bedeute das Ende für das einzigartige Schutzgebiet Geopark Azoren

Platz für Rampen: Mit der Auszeichnung als Geopark sollte eine nachhaltige Entwicklung der Azoren gefördert werden Foto: Karl-Heinz Raach/laif

Von Reiner Wandler, Madrid

Portugal könnte schon in wenigen Jahren zum exklusiven Club der Länder gehören, die einen direkten Zugang zum Weltraum haben. Das zumindest hofft die sozialistische Regierung in Lissabon. Sie setzt sich für eine Abschussrampe für Satelliten von bis zu 200 Kilogramm auf der Azoreninsel Santa Maria ein. Dort soll unweit von Malbusca ein „Space Port“ entstehen.

Das sei „wirtschaftlich und technisch machbar“, sagt der Minister für Wissenschaft, Technologie und Hochschulbildung, Manuel Heitor, und verweist auf mehrere Studien. Eine stammt von der Universität Austin im US-Bundesstaat Texas, eine andere von Airbus und eine dritte von der Europäischen Weltraumagentur (ESA) die ihre Untersuchung in Zusammenarbeit mit der portugiesischen Ingenieurbüro Deimos Engenharia und dem Entwickler für Raketen und Abschussrampen Orbex aus Großbritannien erstellt hat.

Der Space Port in Malbusca soll zusammen mit einer weiteren geplanten Anlage in Schottland einen Teil der Raketenstarts der bisher einzigen europäischen Abschussrampe in Französisch-Guayana in Südamerika übernehmen. Malbusca sei geradezu ideal, preisen Studien und Regierung den Ort im Atlantik an. Die Inselgruppe liegt nur 1.500 Kilometer von Paris entfernt, die Abschussrampe in Französisch-Guayana 7.000 Kilometer. Santa Maria habe stabiles Wetter und ein freies Schussfeld für polare Umlaufbahnen gegen Norden und Süden und für niedrige Umlaufbahnen gegen Osten. 100 bis 200 Millionen Euro Investitionsvolumen verspricht sich Minister Heitor – „zum allergrößten Teil aus privaten Quellen“. Das Geld würde den Azoren wirtschaftlich sehr nutzen, verspricht er.

Freilich sind nicht alle so erfreut. Auf den Azoren selbst regt sich Widerstand. Der Anthropologe und Schriftsteller Paulo Ramalho gehört zu denen, die sich Sorgen um die Insel machen. Zusammen mit anderen sammelt er Unterschriften im Netz. Die Gegner fürchten um das „fragile Gleichgewicht der Umwelt“, sehen eine Gefahr für die Sicherheit der gerade einmal 97 Quadratkilometer großen Insel Santa Maria und für den Tourismus.

Die ganze Inselgruppe stehen seit März 2013 als einzigartiger Geopark unter der Schirmherrschaft der Unesco. Sie gilt als eines der Urlaubsziele für diejenigen, die gerne guten Gewissens an einen Ort fahren, der auf Nachhaltigkeit setzt.

Das Gebiet drohe „industrialisiert zu werden“, schreibt der Schriftsteller Paulo Ramalho

Jetzt laufe Santa Maria Gefahr, „industrialisiert zu werden“, erklärt Ramalho. „Sie verlangen von den Bewohnern von Santa Maria, dass sie ihre Insel auf dem Altar des Fortschritts opfern und sie im Namen der höheren Interessen Portugals zerstört wird“, schreibt Ramalho in einem langen Meinungsartikel in der Regionalzeitung Diário dos Açores.

Ramalho will wissen, wie viele Abschüsse der bis zu 17 Meter hohen Raketen pro Jahr geplant seien. „12“, lautet die offizielle Antwort. Doch dass es dabei bleibt, ist mehr als unwahrscheinlich. Denn der Bedarf an Satellitentransporten steigt ständig. Alleine im Vorjahr wurden laut Deimos über 320 Kleinsatelliten in den Weltraum befördert. Airbus Safran Launchers, das wichtigste Unternehmen im Sektor, plant jährlich mindestens 200 Operationen.

Minister Heitor lässt sich durch die Proteste nicht beirren. Er setzt weiterhin darauf, dass Portugal in Sachen Weltraum schon bald mit China und den USA im direkten Wettbewerb um Satellitentransporte stehen könnte. Ein Weltraumgesetz soll noch vor Jahresende durchs Parlament gebracht werden.