Schrippen für die Tonne

Das Riesenangebot an allzeit frischen Backwaren in Deutschland ist nicht nur luxuriös, sondern vor allem ein Problem: Mehr als ein Drittel bleibt ungenutzt

Von Andrew Müller

Mehr als ein Drittel der in Deutschland produzierten Backwaren werden jährlich verschwendet – etwa 1,7 von insgesamt 4,5 Millionen Tonnen Schrippen, Kuchen und Torten. Verantwortlich dafür ist einer Studie der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF zufolge maßgeblich das Brot- und Backgewerbe: In manchen Geschäften bleibe jede fünfte Backware als sogenannte Retour ungegessen, sagte WWF-Experte Jörg-Andreas Krüger am Donnerstag in Berlin.

Das ist allerdings eine Schätzung, valide Daten, wie viel genau produziert wird, gibt es kaum. Auffällig ist, dass der Überschuss bei kleinen Handwerksbetrieben im Vergleich zu Branchenriesen geringer ist. Bestenfalls landet der nichtverkaufte Teil bei Tafeln für Bedürftige, die aber oft schon ausreichend bedient sind. Mindestens 400.000 Tonnen werden zu Tierfutter verarbeitet. Backwaren mit tierischen Zutaten werden zu Biogas verarbeitet oder verbrannt.

Mit neuer Software lasse sich die Produktion technisch sehr viel genauer an der Nachfrage ausrichten, so der WWF. Im Übrigen sollten die Ver­braucher*innen Ansprüche und Konsumverhalten überdenken – es müsse nicht jedes Brot zu ­jeder Tageszeit erhältlich sein. Insgesamt sei aber eine nationale Strategie nötig. Immerhin habe sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren.

Valentin Thurn, Mitgründer von Foodsharing, sprach von einer „düsteren Realität“. Supermärkte schlössen Knebelverträge mit Bäckern, die sie zum Liefern frischer Ware bis Ladenschluss verpflichten. Kleine Betriebe hätten weniger Retouren, weil sie die Kund*innen intensiver beraten könnten. Software könne ein Teil der Lösung sein, aber auch zur „Optimierung des bestehendes Wahnsinns“ beitragen, so Thurn.

Heribert Kamm, Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, versprach, dass das Thema sehr ernst genommen werde: Die Vermeidung von Überproduk­tionen liege auch im wirtschaftlichen Interesse der Betriebe.