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: Die Dutts dieser Welt

Bochums Trainer meint, Proteste gehörten nicht ins Stadion. Mit diesem Unfug steht er nicht allein

Robin Dutt hat es zurück ins bundesweite Gespräch geschafft. Nicht mit dem VfL Bochum, der gerade 0:1 gegen Dresden verloren hat, sondern mit wilden Ausführungen zu den Fanprotesten für fanfreundliche Anstoßzeiten und gegen Kommerz. „Mir geht dieser grundsätzliche und völlig undifferenzierte Protest gegen alles und jeden tierisch auf die Nerven“, sagte Dutt unter anderem. Er riet hilfreich, „sie sollen selber ein bisschen anpacken und etwas mehr Ehrenamt leisten“; und befand: „Protest hat im Stadion nichts zu suchen.“ Außerdem witterte der Bochumer Coach eine Verschwörung, um dem VfL zu schaden.

Fast alles davon ist so skurril, abgehoben und provokant, dass es nur dazu einlud, ein Aufreger im Aufreger-Medium Internet zu werden. Dutts langfristige Positionierung zum Thema Fanrechte bedachten wenige, dabei ist sie wesentlich interessanter. Am Mittwoch sagte er: „Ich unterstütze das Anliegen, das hinter dem Boykott steckt. Trotzdem würde ich mir dafür eine andere Plattform wünschen – eine, die uns als VfL Bochum nicht trifft.“

Spannenderweise war es vor allem das fanfreundliche Portal Westline, das Dutt damit verteidigte. Mit dem Verweis, dass im Jahr 2016, als das erste Montagsspiel in der Bundesliga ausgetragen wurde, der Sportvorstand des betroffenen Vereins VfB Stuttgart sich vehement gegen Montagsspiele aussprach. Das war Robin Dutt. Ist Dutt ein weiteres Opfer der nur Überschriften lesenden Twitterer?

„Absolut nicht nachvollziehbar“ nannte Dutt tatsächlich damals die Ansetzung. Interessant ist aber die Begründung: „In diesem Spiel, gegen einen direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt, wollen und können wir nicht auf die Unterstützung eines Großteils unserer Fans verzichten. Das wäre ein Wettbewerbsnachteil, der so nicht akzeptabel ist.“ Eigennütziger kann man Fanrechte kaum betrachten. Der Fan ist eine utilitaristisch zu bewertende Masse, die den Verein zu unterstützen hat. Ähnlich lesen sich Dutts Aussagen zum Dresden-Spiel dieser Woche. Fans haben dem Verein zu nützen, nicht zu schaden, und wenn sie ihm schaden, ist der Protest unrecht.

Es ist naheliegend, dass Robin Dutt mit solchen Ansichten nicht allein steht. Selbst der vermeintlich so progressive SC Freiburg mit seinem basisfreundlichen Christian Streich äußerte sich auf der Führungsetage ganz anders. Präsident Fritz Keller kommentierte: „Man hat gesehen, dass wir die Unterstützung brauchen. Fans müssen überlegen, was sie machen, ob sie damit dem eigenen Klub schaden.“ Dass Anhänger etwas anderes sein könnten als dienstwillige Claqeure oder vertraglich gebundene Maskottchen, scheint bei den Verantwortlichen vieler Vereine im Kopf weiterhin überhaupt nicht vorzukommen. Und so ist die Äußerung Dutts weniger ein Skandal als eher ein vielsagender Einblick ins Innere des Profisports.

„Was bleibt uns denn anderes übrig?“, sagte Pro-Fans-Sprecher Sig Zelt der DPA am Montag zu den Protesten. „Wir haben in einem Jahr Dialog gesehen, dass nicht viel dabei herauskommt.“ Tatsächlich scheinen Proteste derzeit wirksamer als Dialog. Wer die Nützlichkeit von Fans voranstellt, wird da am schmerzlichsten getroffen, wo sie nicht mehr nützen.

Die Bochumer Ultras von „UB99“, die nach der Ausgliederung ein Jahr lang den Stadionbesuch boykottierten, haben kürzlich beschlossen, die Rolle als „kritisches Korrektiv“ wieder einzunehmen. Zu Recht. Aber wie so oft als Minderheit des Publikums. Statt Protestschweigen versuchten sich laut Westline beim Bochum-Spiel andere Fans mit Support. „Verein first“ ist nicht nur eine Einstellung der Dutts dieser Welt. Viel wichtiger wäre es, die Mehrheit des Publikums davon abzubringen.

Alina Schwermer