Polizei hilft RWE im Hambacher Forst: Vorbereitung auf Tag X

Geht es schon los im Hambacher Forst? Nein, sagt die Polizei, wir helfen der RWE nur beim Aufräumen. Die Baumbesetzer rufen zum Protest auf.

Mitarbeiter von RWE räumen unter Polizeischutz eine Barrikade

Mitten im Hambacher Forst: Mitarbeiter von RWE räumen unter Polizeischutz eine Barrikade Foto: dpa

HAMBACHER FORST taz | Eine zunehmende Zahl von Warnungen aus dem Hambacher Forst hatte es bereits in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gegeben. Rund um den Wald im rheinischen Braunkohlerevier hatten Aktivisten Polizeiaufmärsche beobachtet. Um kurz nach 7 Uhr am Mittwoch meldete die Aachener Polizei: „Zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherung werden Unrat sowie offensichtlicher Müll innerhalb des Waldes beseitigt und entsorgt. Die Polizei schützt hierbei die RWE-MitarbeiterInnen.“ Das hieß für die Besatzer des von Rodung bedrohten Waldstücks: Einmarsch! Mehrere Hundertschaften sind im Einsatz.

Ist das jetzt der Tag X, der Beginn der Vertreibung der fast 300 WaldbewohnerInnen im Hambacher Forst? Nicht unmittelbar, sagte die Polizei: „Räumungen des Wiesencamps, von Baumhäusern oder gleichartigen Bauten sind nicht geplant.“

Aber bald muss der Weg nicht nur sauber- sondern freigemacht werden für RWE. Das Energieunternehmen darf ab 1. Oktober den Wald roden, um seinen Braunkohletagebau auszuweiten. Bereits wenn dafür das Gelände geräumt wird, werden großflächige Auseinandersetzungen mit der Polizei erwartet.

Die Aktivisten haben noch eine weitere Hoffnung, die Rodungen zu verhindern. Am Dienstag teilte das Oberverwaltungsgericht Münster mit, noch im September über die Klage des BUND zu entscheiden, der einen Rodungsstopp fordert.

Waldbewohner rufen dazu auf, in den Forst zu kommen

Die Bewohner des Waldes riefen seit Mittwochmorgen dazu auf, in den Forst zu kommen: „Eure Petitionen können sie ignorieren, aber eure physische Präsenz nicht!“

Die Rodung ist seit Jahren genehmigt und laut RWE nötig, um den Tagebau fortzusetzen. Gegen die Abholzung gibt es jedoch seit langem Proteste von Waldbesetzern vor Ort. Darüber hinaus fordert ein breites Bündnis von Natur- und Klimaschützern einen Rodungsstopp, solange die bundesweite Kohlekommission in Berlin miteinander im Gespräch ist.

Unrat und Müll? Einer aus dem Forst spottete umgehend per Twitter, wie schön, dass der Wald vor der geplanten Räumung nach guter deutscher Sitte erst gefegt werde. Mit Unrat meint die Polizei Barrikaden, die WaldbewohnerInnen auf allen Wegen teils im Abstand von 20 Metern gebaut haben. Rührende Konstruktionen sind dabei, teils mehrere Meter hoch, aus Holzscheiten, Baumstämmen, halb eingegrabenen Schrott-Fahrrädern und Plastikteilen. Aber auch Dinge mit Raffinesse: So hängt ein Feuerlöscher in gut fünf Metern Höhe an einer komplexen Konstruktion aus Holzscheiten, Gummiwülsten und dutzenden dicken Wollfäden. Explodiert da was, wenn man einen Faden löst? All das soll ein bisschen verunsichern, aufhalten, einen Einsatz verzögern.

RWE-Mitarbeiter in gelben Warnwesten hatten seit dem Morgen den „Unrat sowie offensichtlichen Müll“ in Umzugskartons geworfen. Bis zum Nachmittag gab es keine größeren Zusammenstöße außer einem Handgemenge an einer Kontrollstation, den Fund eines, so die Polizei, „sprengstoffähnlichen Gegenstandes“ und eines mit Nägeln gespickten Autoreifens. Besorgter Kommentar der Polizei dazu: „Das ist für ALLE eine Gefahr!“ Eine Person hat sich in drei Metern Tiefe eingegraben und angekettet. Die WaldbewohnerInnen skandieren der Polizei entgegen: „Und wo wart ihr in Chemnitz?“ Die Einsatzkräfte melden ansonsten „einen ruhigen Einsatz“.

„Bündnismobil“ abgefackelt

Die Polizei begründet den Einsatz mit der „Gewalteskalation der letzten Tage“. Das erstaunt. Es war offensichtlich die andere Seite, die nebenan in Buir mitten im Wohngebiet das „Bündnismobil“ der örtlichen Widerständler Samstagnacht lichterloh abgefackelt hatte. Gleichzeitig war gestern NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der Unwahrheit überführt worden. Tags zuvor hatte seine Polizei Fundstücke aus dem Wald präsentiert: Messer und Äxte. Das Zeug kam manchen bekannt vor. Reul musste später zugeben, dass viele dieser Gewalteskationsexponate aus der Asservatenkammer stammten von Einsätzen der vergangenen Jahre.

Reul hatte am Montag in Düsseldorf gewarnt, dass man es im Hambacher Forst mit „extrem gewaltbereiten Linksextremen“ zu tun habe, die aus dem ganzen Bundesgebiet und dem benachbarten europäischen Ausland anreisten. „Diese selbst ernannten Umweltschützer wollen nicht Bäume retten, sondern den Staat abschaffen“, sagte Reul. RWE sei Eigentümer des Hambacher Forstes, habe das Recht, den Wald zu roden und wolle davon demnächst Gebrauch machen. „Wir wissen's nicht genau, aber wenn der Tag dann kommt, dann muss die Polizei eben dafür sorgen, dass dieses Recht durchgesetzt werden kann.“ (mit dpa)

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