Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: „Ich bin nicht rassistisch, ich spende für Straßenkinder!“

Foto: Roberta Sant'anna

„Hey, was machen Sie da? Sie können doch nicht einfach die ganzen Kartons in meine Altpapiertonne werfen!“, rief die Eppendorferin dem DHL-Boten südländischen Typs zu. Sie kam in einem himmelblauen Morgenmantel mit einer Sonnenbrille im Haar in Birkenstocks aus ihrem Haus, baute sich vor ihm und ihren vier Tonnen auf und wiederholte:

„Was machen Sie da?“

Er verschränkte die Arme und gab ein aggressives Grunzen von sich.

Sie griff in die Tonne und holte einen Karton heraus:

„Das ist ja ganz schwer, da ist ja noch was drin, das ist ja ein adressiertes Paket, was fällt Ihnen ein? Sprechen Sie überhaupt unsere Sprache?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Español?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Français? English? Português?“

Er zuckte mit den Schultern.

Ein Nachbar rief vom Balkon:

„Jetzt lassen Sie den armen unterbezahlten Mann doch in Ruhe!“

„Also hören Sie mal, Herr Unger, das ist ja nicht Ihre Tonne oder Lieferung! Ich versuche nur ins Gespräch über Recht und Unrecht zu kommen und habe ihm dafür immerhin vier! Sprachen angeboten!“

„Versuchen sie es mit Arabisch, Frau Köhler!“

Der Bote lächelte kurz und nickte.

„Arabisch spreche ich natürlich nicht, der Araber hat sich zu integrieren und nicht wir uns dem Araber anzuintegrieren!“

„Frau Köhler, ich bitte Sie! Das ist rassistisch!“

„Ich bin nicht rassistisch, ich spende monatlich für indische Straßenkinder!“

Sie sagte zu dem Boten:

„Du hier warten“, lief ins Haus, kam mit ihrem Handy zurück und fotografierte den Boten. Er schaute mürrisch in die Kamera, nahm die Pakete aus ihrer Tonne und warf sie in seinen Wagen.

Später, beim Abendessen erzählte ich die Geschichte und ein Freund sagte, der Bote habe vermutlich gar nicht gewusst, dass die schönen großen Tonnen nicht der Stadt, sondern Frau Köhler gehörten. Eigene Mülltonnen kenne eben nicht jeder und es sei ein Wunder, dass eine wie die Köhler ihre Mülltonnen nicht abschließe. Einig waren sich alle darin, dass DHL-Boten unterbezahlt sind. Einer sagte, wenn man ihnen kein Trinkgeld gebe, würden sie Trotzreaktionen zeigen, der Neurochirurg am Tisch sagte, Ärzte seien im Verhältnis zu ihrer Leistung unterbezahlter als DHL-Boten und eine Freundin merkte an, sie gebe immer nur Trinkgeld, wenn sie die Pakete retour schicke – Deutsche schicken am meisten von allen auf der Welt retour, ergänzte sie begeistert.

Das Zurückschicken ist ein rechtmäßiger Ausdruck von Unzufriedenheit. Ein Paket, das man eigentlich hätte zustellen sollen, samt Inhalt in eine Mülltonne zu werfen, ist nicht vertraglich korrekt, aber vielleicht nachvollziehbar. Ich glaube, Boten haben nicht viele nette Begegnungen. Schon die guten Leute lästern beim Dinner in verächtlicher Weise über Boten. Dahinter stecken schlichte kapitalistische Gedanken-Impulse: Ich arbeite, bezahle, also bin ich der Boss und darf mich bei enttäuschten Erwartungen aufführen wie ein Arsch. Alles hat seine Ordnung. Der Bote strengt sich zwar auch an, arbeitet viel und hart, verdient aber fast nix, also bin ich hier der King!