Söders Fan heißt Horst

Offiziell war es ein CSU-Parteitag, praktisch eine Kundgebung des Söder-Fanclubs

Die Lage für Söder ist ernst; die Junge Union macht trotzdem Parteitags-Party Foto: Sven Hoppe/dpa

Von Dominik Baur, München

Horst Seehofer meint es nett. „Aus meiner Sicht steht die CSU zu Beginn des Wahlkampfs sehr passabel da“, sagt der Vorsitzende vor Beginn des Wahlparteitags am Samstag in München. Sein Satz steht im glatten Widerspruch zu den miserablen Umfragewerten der Partei. Am vergangenen Mittwoch etwa kam die CSU im Bayerntrend auf 35 Prozent. Zur Erinnerung: Vor fünf Jahren holte sie am Wahl­abend 47,7 Prozent.

Es ist kurz nach 10 Uhr, als die Matadore einziehen in die Halle, sich ihren Weg durch die Menge bahnen. Es sind Parteichef Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder, begleitet von den Generalsekretären Markus Blume und Daniela Ludwig. Sie schütteln Hände, nehmen den extra langen Weg, das Ganze begleitet von Discobeats.

Was sie hier Parteitag nennen, ist eigentlich eine Wahlveranstaltung vor den eigenen Parteifreunden. Sicherheitshalber haben die 800 Delegierten gleich zu Beginn beschlossen, dass sie hier nichts beschließen wollen; alle Anträge werden auf den nächsten regulären Parteitag verwiesen.

So wundert es nicht, dass sich Söders Auftritt kaum von seinen unzähligen vorhergehenden in ganz Bayern unterscheidet. Seine Rede ist nahezu identisch mit der Show, mit er schon seit Wochen auf Tour ist. Allenfalls variieren einzelne Versatzstücke und werden in unterschiedlicher Reihenfolge abgespult. Einige Passagen hat er bereits seit einem Jahr im Repertoire. Bis in die Formulierungen und Witzeleien hinein zitiert sich der Ministerpräsident selbst.

Man dürfe bei Umfragen nicht hyperventilieren, sagt Markus Söder. Oder: Er habe zwar keinen Herausforderer, aber die Herausforderung sei umso größer. Bayerns SPD- und Grünen-Politikern hält er vor, dass sie jeden Morgen eine E-Mail aus Berlin bekämen, in der stehe, was sie zu tun hätten. Und eine abfällige Bemerkung über das Aussehen des Grünen-Fraktionschefs im Bundestag, Anton Hofreiter, muss auch immer dabei sein. Das Übliche eben.

Auf der Leinwand hinter Söder flattern die Rauten einer überdimensionalen Bayernfahne. Es ist warm, die Luft stickig. Freundliche junge Menschen in T-Shirts mit der Aufschrift „Söder Team“ verteilen Wasserflaschen. Immerhin: Nicht in jedem Bierzelt gab sich Söder zuletzt so kämpferisch wie an diesem Samstag beim Parteitag. Er schwingt seine Faust, spricht seiner Partei Mut zu: Die Umfragewerte könnten ein Weckruf sein. Er könne sich schon vorstellen, dass der eine oder andere der Partei „einen Schubser oder einen kleinen Denkzettel“ geben wolle. Die Menschen wollten aber kein gänzlich anderes Bayern. Diese Gefahr bestehe jedoch, wenn im Oktober tatsächlich sieben Parteien in den Landtag einzögen. Dann könne Bayern „vom Modellfall für Demokratie zum Problemfall für die Demokratie“ werden.

84 Minuten lang spricht Söder; als er mit der Quintessenz „Ja zu Bayern heißt Ja zur CSU“ schließt, springen die Delegierten auf wie zum Abpfiff eines Fußballspiels, jubeln, skandieren „Markus, Markus“. Vier Minuten dauert der Applaus, es ist, als ob die Partei sich gerade alles von der Seele klatschen wolle, was sie derzeit belastet. Die Delegierten scheinen fest entschlossen, dem berechtigten Frust zu trotzen.

Für Überraschung hat zuvor bereits Horst Seehofer gesorgt. In seiner Rede steigert sich der CSU-Chef regelrecht in eine Hommage an Söder hinein. Man werde noch nicht zum Strategen, nur weil man täglich Förderbescheide verteile, hatte er Söder einst abgekanzelt. Damals war er noch Ministerpräsident und Söder sein Finanzminister. Heute spricht er seinen ungewollten Nachfolger mit „Lieber Herr Ministerpräsident, lieber Markus“ an.

Bayern kann „vom Modellfall zum Problemfall werden“

Der heutige Tag stehe „ganz im Zeichen unseres Ministerpräsidenten Markus Söder“, fährt er dann fort, und er wolle „unserm Markus zuallererst danken für seinen ungeheuren Einsatz in den letzten Monaten“ und für die „fortschrittliche Politik“. Besonders habe ihn der Einsatz für die kleinen Leute fasziniert. „Du hast dich von niemandem übertreffen lassen bei deinem Einsatz für unser Land.“ So geht es weiter, 40 Minuten lang, derweil Söder ob seiner eigenen Großartigkeit ein ums andere Mal nickt.

Es ist die legendäre Geschlossenheit, die die CSU so gern beschwört und an der sie sich auch an diesem Samstag ergötzt. Das macht Mut, das gibt Auftrieb für die letzten vier Wochen Wahlkampf. Und dennoch: Die Nervosität ist deutlich zu spüren. Kein Wunder, der Versuch, Wähler am rechten Rand zurückzugewinnen und der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat nicht verfangen. Nun scheinen die Wahlkämpfer einigermaßen ratlos. Man flüchtet sich in die Hoffnung, dass die Umfragen doch ein falsches Bild widerspiegelten. So oft hätten sich die Demoskopen doch zuletzt geirrt. Außerdem seien ja noch viele unentschlossen.

„Ich glaube, das wird ein Last-Minute-Wahlkampf“, sagt Theo Waigel. Und Edmund Stoiber, der auch mal aufs Podium darf, spricht von einer „Jetzt-erst-recht-Stimmung in der CSU“. Der Rest, den Stoiber mit heiserer Stimme in den Saal ruft, geht im Beifall unter.

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