Alle mal runter vom Gehweg!

Vertreter von Fußgängern und Senioren fordern Entschleunigung des Verkehrs und klarere Trennung

Von Claudius Prößer

Nachweisen lässt es sich so einfach nicht – aber dass die Sitten im Berliner Straßenverkehr verrohen, ist eine Ansicht, die viele teilen. Zur Sprache kamen aggressives Verhalten und Regelverstöße bei einer Anhörung zum Thema Verkehrssicherheit, die am Montag vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses stattfand. Geladen waren unter anderem ExpertInnen vom ADAC, dem Fuß e. V. und dem Landesseniorenbeirat.

ADAC-Mann Jörg Becker versuchte, sich nicht als Autolobbyist, sondern als Vertreter aller Verkehrsteilnehmer darzustellen. Als solcher beklagte er einerseits eine „Raserszene“ unter Automobilisten als auch die „bewusste Negierung der Straßenverkehrsordnung“ bei Radfahrern. Das müsse stärker geahndet werden. Notwendig seien aber auch „intensive“ Informationskampagnen, die beispielsweise mit drastischen Bildern von Unfällen zur Abschreckung arbeiteten.

Roland Stimpel von Fuß e. V. wies als Vertreter der „größten Randgruppe – wir sind fast 100 Prozent“ – darauf hin, dass trotz des starken Rückgangs der tödlichen Verkehrsunfälle seit Anfang der Neunziger immer noch „alle drei bis vier Wochen ein Fußgänger stirbt“, oft an Orten, wo sich die Verkehrsströme auf komplexe Weise kreuzten. Seine Analyse: „Das ganze System muss einfacher, übersichtlicher und langsamer werden.“ Radfahrer auf Gehwegen behindern aus Stimpels Sicht die FußgängerInnen in ihrer Mobilität. Sein Vorschlag: 60 Euro Strafe dafür, wie beim Schwarzfahren.

Für Eveline Lämmer vom Seniorenbeirat (der alle BerlinerInnen ab 60 vertritt) steht fest: „Viele ältere Menschen haben Angst, am Straßenverkehr teilzunehmen.“ Sie fürchteten sich vor dem Zusammenstoß mit einem Radfahrer oder davor, nicht schnell genug über die grüne Ampel zu kommen. „Das führt zur Selbstausgrenzung und zur Vereinsamung.“ Auch Lämmer forderte Entschleunigung sowie ein Ende der Flächenkonkurrenz auf den Gehwegen: Alle Fahrzeuge, von Rollstühlen abgesehen, gehörten auf die Straße.

Auf die Fragen mehrerer Abgeordneter, warum nicht mehr feste Blitzer zur Rotlicht- und Geschwindigkeitskontrolle aufgestellt würden, versicherte ein Verkehrsexperte der Polizei, es seien bereits zehn neue Geräte in Planung.