Polizei hilft RWE im Hambacher Forst

Vorbereitung auf Tag X: Mehrere Hundertschaften begleiten Räumarbeiten. Besetzer spritzen mit Urin und Fäkalien

Polizisten am Mittwoch im Camp der AktivistInnen im Hambacher Forst Foto: Oliver Berg/dpa

Von Bernd Müllender

Warnungen aus dem Hambacher Forst hatte es schon in der Nacht zum Mittwoch gegeben. Rund um den Wald im rheinischen Braunkohlerevier beobachteten Aktivisten Polizeiaufmärsche. Um kurz nach 7 Uhr meldete die Aachener Polizei: „Zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherung werden Unrat sowie offensichtlicher Müll innerhalb des Waldes beseitigt und entsorgt. Die Polizei schützt hierbei die RWE-MitarbeiterInnen.“ Das hieß für die Besatzer des von Rodung bedrohten Waldstücks: Einmarsch! Mehrere Hundertschaften waren im Einsatz.

Bis zum Nachmittag lief der Einsatz im Forst relativ glimpflich ab: Laut Polizei gab es drei Festnahmen, bei der Beseitigung von Barrikaden auf Zugangswegen und der Beschlagnahme von „Beweismitteln“ wurde die Polizei mit Pyrotechnik beschossen und von den Holzplattformen auf den Bäumen mit Urin und Fäkalien bespritzt.

Ist das jetzt der Tag X, der Beginn der Vertreibung der fast 300 WaldbewohnerInnen im Hambacher Forst? Nicht unmittelbar, meinten die Aktivisten. Auch laut Polizei waren am Mittwoch „Räumungen des Wiesencamps, von Baumhäusern oder gleichartigen Bauten nicht geplant“.

Das dürfte sich bald ändern: Das Energieunternehmen RWE darf mit Beginn der Rodungssaison ab 1. Oktober gut 100 der verbliebenen 200 Hektar Wald abholzen, um seinen Braunkohletagebau auszuweiten. Erst wenn dafür der Hambacher Forst geräumt werden sollte, erwarten Beobachter großflächige Auseinandersetzungen mit der Polizei, also etwa Mitte September.

„Die Polizei versucht, die Bewegung zu kriminalisieren“

Emil Freytag, „Aktion Unterholz“

Einer aus dem Forst spottete am Mittwoch per Twitter, wie schön, dass der Wald vor der Räumung nach guter deutscher Sitte erst „gefegt“ werde. Mit „Unrat“ meinte die Polizei Barrikaden, die WaldbewohnerInnen auf allen Wegen teils im 20-Meter-Abstand gebaut haben. Exotische Konstruktionen sind dabei, teils mehrere Meter hoch, aus Holzscheiten, Baumstämmen und halb eingegrabenen Schrott-Fahrrädern. Aber es gibt auch einen Feuerlöscher in gut fünf Metern Höhe an einer Konstruktion aus Holzscheiten, Gummiwülsten und einem Gewirr aus dicken Wollfäden. Explodiert da was, wenn man einen Faden löst? All das soll offenbar einen Einsatz verzögern.

RWE-Mitarbeiter in gelben Warnwesten warfen seit dem Morgen den „Unrat sowie offensichtlichen Müll“ in Umzugskartons, die Polizei zerstörte zudem Bodenbauten und andere Infrastruktur. Teils seien auch Gräben und Erdlöcher von den insgesamt 200 RWE-Leuten zugeschüttet und Müll aus dem Wald entfernt worden, sagte ein Sprecher des Konzerns. Bis zum Nachmittag gab es keine größeren Zusammenstöße – außer einem Handgemenge an einer Kontrollstation, dem Fund eines, so die Polizei, „sprengstoff­ähnlichen Gegenstandes“ und eines mit Nägeln gespickten Autoreifens. Eine Person hatte sich zudem in drei Metern Tiefe angekettet und war auch nach Stunden nicht auszugraben. WaldbewohnerInnen skandierten Richtung Polizei: „Und wo wart ihr in Chemnitz?“ Die Einsatzkräfte meldeten ansonsten „einen ruhigen Einsatz“.

Die Polizei begründete ihr Tun mit der „Gewalteskalation der letzten Tage“. Das erstaunt. Es war offensichtlich die andere Seite, die ganz in der Nähe in Buir mitten im Wohngebiet das „Bündnismobil“ der örtlichen Widerständler Samstagnacht abgefackelt hatte.

Eine Polizeisprecherin wollte gegenüber der taz „aus einsatztaktischen Gründen“ nichts dazu sagen, ob die Beamten nun gleich ganz im Wald bleiben. Wenn sie wieder gingen, dürften sofort neue Barrikaden aufgebaut werden, oder? Ja, davon müsse man wohl ausgehen, sagte die Sprecherin. Und: „Schlussfolgerungen überlasse ich Ihnen.“ Nichts spricht also dagegen, dass die WaldbewohnerInnen ab sofort ungewollte Gäste in ihrem Forstrevier haben werden.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Montag gewarnt, dass man es im Hambacher Forst mit „extrem gewaltbereiten Linksextremen“ zu tun habe. „Diese selbsternannten Umweltschützer wollen nicht Bäume retten, sondern den Staat abschaffen“, sagte Reul. RWE sei Eigentümer des Hambacher Forstes und habe das Recht, den Wald zu roden. Die Aktivisten wiesen die Vorwürfe zurück. „Die Polizei versucht, die komplette Bewegung zu kriminalisieren und zu diffamieren“, sagte Emil Freytag von der „Aktion Unterholz“.

Reul wurde auch beim Flunkern erwischt. Am Montag hatte die Polizei Messer und Äxte aus dem Wald präsentiert. Das Zeug kam manchen bekannt vor. Reul musste zugeben, dass viele der Exponate aus der Asservatenkammer stammten – von Einsätzen der vergangenen Jahre.