Mit den Waffen von Island

Auch dank Nothelfer Hrubesch qualifiziert sich das deutsche Team fast sicher für die WM 2019. Große Probleme gibt es aber weiterhin

Der erlösende Führungstreffer: Svenja Huth erzielt gegen Island das 1:0 Foto: dpa

Aus Reykjavík Frank Hellmann

Ursprünglich war die Blaue Lagune ein Geheimtipp der Jugendlichen von Reykjavík, die das abfließende Wasser eines Geothermalkraftwerks als Bademöglichkeit entdeckten. Seitdem letztes Jahr das gesamte Areal in der Nähe des Flughafens Keflavík verdoppelt wurde, gibt es kaum noch Island-Touristen, die diese Stationen auslassen. Auch Horst Hrubesch war schon da, als der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und Interimstrainer der Frauen-Nationalmannschaft im Dezember die Insel im Nordatlantik bereiste. Eigentlich wäre der Hobbyfischer ja lieber irgendwo zum Angeln gefahren, „aber das erlaubt meine Frau im Urlaub nicht.“

Hrubesch erzählte die Episode am Samstag nach dem erlösenden 2:0-Erfolg gegen Island mit einem breiten Grinsen. Der Mann hat mal wieder eine Mission erfüllt: die Qualifikation für die Frauen-WM 2019 in Frankreich unter Dach und Fach zu bringen. In der letzten Partie auf den Färöer-Inseln (Dienstag 17 Uhr/ARD) kann kaum noch etwas schiefgehen. Das Hinspiel gewannen die deutschen Fußballerinnen mit 11:0. Für die wichtigste Partie seiner kurzem Amtszeit knobelte der erprobte Nothelfer eine wetterfeste Ausrichtung aus: Ein deutsches Team, das sich in der Wahl seiner Mittel bei Regen, Wind und Sonne am isländischen Vorgehen orientierte, weil es immer wieder lange Schläge einstreute.

Für den Pragmatiker war es die logische Lehre aus der 2:3-Hinspielblamage, wo Alexandra Popp und Co. vor lauter Kombinieren das Toreschießen vergaßen. „Wir haben den Gegner überrascht: Er hat nicht damit gerechnet, dass wir ihn mit den eigenen Waffen schlagen“, konstatierte der 67-Jährige genüsslich und wirkte so zufrieden, als sei ihm in der windigen Bucht von Reykjavík ein prächtiger Dorsch an den Haken gegangen. „Der Plan ist perfekt aufgegangen“, lobte die Sturmführerin Popp. „Wir haben die Bedingungen für uns genutzt“, befand die Kapitänin Kristin Demann, die sich mit ihrer Übersicht als Abwehrchefin zur stärksten Akteurin aufschwang.

Mit heißem Herzen und kühlem Kopf setzten „meine Mädels“ (O-Ton Hrubesch) die Vorgabe um. Zweimal traf Allrounderin Svenja Huth (42. und 74.) vor den mit 15.000 Zuschauern vollbesetzten Tribünen.

Zumindest der eifrig mitklatschende DFB-Präsident Reinhard Grindel deutete den wundervollen Regenbogen, der sich über dem zugigen Nationalstadion zeigte, als Symbol für den Aufbruch des gesamten deutschen Fußballs. „Der September ist ein wichtiger Monat für den DFB. Das war ein toller Auftakt.“ Grindel sehnt ähnliche Erfolgsmeldungen für das Männer-Team in der Nations League gegen Weltmeister Frankreich (6. September) und vor allem die Vergabe die Euro 2024 (27. September) herbei. Eine Grundsatzdiskussion im Frauenfußball hätte da noch gefehlt.

Die Erleichterung war der Männerrunde der DFB-Funktionäre anzusehen, die in der Aufwärmhalle des Stadions Laugardalsvöllur flachste und mehrfach auf das breite Hrubesch-Kreuz klopfte. Selbstvertrauen einimpfen und Zusammenhalt fördern kann der Mann generationen- und geschlechter­übergreifend wie kein anderer. Hrubesch war sich übrigens sicher, dass „meine Mädels erst 70, 75 Prozent des Leistungsvermögens“ abgerufen haben. Zumal die Saison in der Frauen-Bundesliga ja auch noch gar nicht angefangen hat.

Das Team ans Limit führen darf dann die künftige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die am 15. September anfangen soll, sofern die 50-Jährige nicht noch mit der Schweiz in die ungeliebte Play-off-Runde mit den vier besten Gruppenzweiten muss. Sie wird beizeiten die Debatten vertiefen, warum es auf Vereinsebene oder im Nachwuchsbereich ernste Warnsignale gibt, dass der deutsche Frauenfußball nicht mehr zur Weltspitze zählt. Hätte der zweifache Weltmeister seine Pflichtaufgabe in Island nicht erfüllt, wären Grundsatzdiskussionen, wie sie gerade bei den Männern geführt werden, ad hoc unausweichlich gewesen.