Berliner Grünen-Fraktion: Träume an der Motorhaube

Die Grünen-Fraktion staunt bei der Fraktionsklausur Hamburg über einen Autobahn-Überbau – und überlegt, ob das auf Berlin übertragbar wäre.

Von Hamburg beim Autobahnbau lernen? Grünen-Chefin Antje Kapek auf der Baustelle der A7 Foto: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Berlins Zukunft entsteht an diesem nieseligen Donnerstagmorgen auf der Motorhaube eines zufällig am Wegesrand parkenden BMW-Kombis. So wirkt es jedenfalls, als führende Köpfe der Grünen-Fraktion sich dort drängen, um auf sechs Farb­kopien zu gucken, wo sich auch in Berlin die Autobahn so überbauen lässt wie in Hamburg. Es ist der zweite Tag ihrer dortigen Fraktionsklausur, und die Grünen sind sichtlich beeindruckt von dem gerade besichtigten Großprojekt, das Schneisen unter einem grünen Deckel verschwinden lässt und zugleich noch Platz für neue Wohnungen schafft.

Im Nordwesten der Stadt ist die Fraktion bei ihrer Klausur unterwegs, an der Autobahn 7 in Stellingen. Dort entsteht auf fast einem Kilometer Länge ein Deckel über die dort künftig achtspurige Autobahn, mit zwei weiteren Abschnitten werden fast vier Kilometer Autobahn so gestaltet. Wohnungen sollen nicht darauf – wie über der Berliner Stadtautobahn Ende der 70er Jahre an der Schlangenbader Straße –, sondern daneben entstehen. Die Kleingärten, die jetzt noch dort sind, sollen auf den Deckel umsiedeln und Teil eines Grünzugs werden.

An der BMW-Motorhaube beginnen die Spekulationen. „Jetzt treibt uns natürlich die Frage um: Ist das auch in Berlin möglich?“, sagt Staatssekretär Stefan Tidow von der grün-geführten Senatsveraltung für Verkehr und Umwelt. Für eine Antwort sei es zu früh, aber das schaffe nun Denkanstöße. Ins Blickfeld fällt auf den Kopien der tiefer liegende Abschnitt nahe dem ICC an der Neuen Kantstraße.

Die Grünen haben an diesem Morgen passenderweise schon lesen können, was aktuell Berlins Stadtentwicklungs­senatorin Katrin Lompscher vom Koalitionspartner Linkspartei zum Thema vorgeschlagen hat: Straßenbäume schneller fällen zu können, als Teil des „Handlungsprogramms zur Beschleunigung des Wohnungsbaus“.

„Das ist Kahlschlag“

Das kommt bei den Grünen gar nicht gut an. „Es ist selbstverständlich eine Aufgabe der gesamten Koalition, beim Wohnungsbau zu liefern, und darum finde ich es unfair, Frau Lompscher im Regen stehen zu lassen“, sagt Fraktionschefin Antje Kapek, „aber was sie jetzt vorschlägt, ist Kahlschlag.“ Wohnungsbaubeschleunigung bekomme man nicht so, sondern durch mehr Personal in den zuständigen Behörden hin, meint sie.

Und so gibt es wieder eine handfeste Grundlage, um über das Klima in der rot-rot-grünen Koalition zu reden, nicht nur am Rande wie am Vorabend am Elb­ufer in St. Pauli. Beim dortigen Abendessen war zu hören, dass die Grünen wenig Lust auf eine Vermittlerrolle zwischen SPD und Linkspartei haben, konkreter: zwischen Regierungschef Michael Müller und Lompscher. Das passe nicht, weil die Grünen auch eigene Interessen hätten, sagt ein führendes Fraktionsmitglied.

Wieder gibt es einen Anlass, um über das Klima in der Koalition zu reden

Allgemein gibt es die Erwartung, dass SPD und Linkspartei zügig miteinander ins Reine kommen müssen. Auch an einem weiteren Kriseln der SPD scheint keiner interessiert, weil das den Koalitionspartner noch nervöser machen würde.

Zurück von der Autobahn in Stellingen, schaut die Fraktion noch am Hafenterminal vorbei, einem Vorreiter von Automatisierung und Computersteuerung. Es ist aber nicht so, dass die Grünen am Abend nur mit sehnsuchtsvollen Erinnerungen aus Hamburg heimfahren werden. Denn tags zuvor zeigte sich, dass Hamburg zumindest beim Fußverkehr hintendran ist: Dafür gibt es, anders als in Berlin, keine übergreifende Strategie.

Wie ein Stoßseufzer klingt, was eine Abgeordnete dazu kommentiert: „Es ist doch schön zu merken, dass wir in Berlin auch mal weiter sind.“

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