Wunderschön ist nicht genug

International Music kommen aus Essen und haben mit „Die besten Jahre“ ein Debütalbum vorgelegt, das man als Update des deutschen Postpunk der 80er hören kann. Nächste Woche spielen die drei beim Festival Pop-Kultur

Im Bild leicht derangiert, fürs Ohr aber bisweilen doch blanker Pop: International Music Foto: Staatsakt

Von Steffen Greiner

Das muss man erst einmal zusammenbringen: wie diese Musik klingt. Und was für Künstler dahinterstecken. So Gitarrenjungs nämlich, süß und vor Charisma platzend und mit Fluppe auf der Lippe. Die nicht nach Berlin kommen können für Interviews, weil, wie sie sagen, die Uni gerade wieder losgegangen sei. „Das ist dann nicht so einfach.“

International Music haben sie dann noch ihre Band genannt, und sie kommen ausgerechnet aus der Stadt, deren internationaler Glamourfaktor nicht einmal durch den Titel „Kulturhauptstadt“ gehoben werden konnte: Essen. Ruhrpott, die Kneipe, die netten Leute. Das Album, das gleich mal den Titel „Die besten Jahre“ trägt: ein Brocken, so erwachsen, wie Musik nur überhaupt sein kann in einer Gesellschaft, in der alles unter 35 als Adoleszenz durchgeht: „Das Restaurant war wunderschön gelegen, aber wunderschön war mir nicht genug/ Mama, warum krieg ich’s immer so, wie ich es bestellt hab“, singen sie da in einem ihrer Lieder, in typischer Zweistimmigkeit, die mit Harmoniegesang weniger zu tun hat als mit einem Shanty, ein Klageruf für das Heute, wobei: So sperrig ist es heute ja gar nicht, wie International Music klingen.

Vielleicht ist es eine spezifisch westdeutsche Sperrigkeit, so aus der Zeit gefallen, wie der Ruhrpott aus der Ferne wirkt. Pedro Goncalves Crescenti und Peter Rubel kennen sich aus Schulzeiten in Mainz, spielten schon immer in Bands und unterhalten gemeinsam noch das nicht weniger vielversprechende Duo The Düsseldorf Düsterboys. Auf den Dritten im Bunde, Joel Roters, von Kur­pfälzer Herkunft und jetzt Drummer von International Music, traf Rubel beim Fußball, Crescenti dann in der Kneipe. „Er hat menschlich in die Energyreingepasst, da haben wir beschlossen, dass wir gemeinsam laut werden können“, berichtet Crescenti per Videotelefonat aus Roters’ neuer Küche, gerade war Umzug, keine Zeit.

Das Album „Die besten Jahre“, das Debütalbum von International Music, ist beim Berliner Label Staatsakt erschienen.

Das Festival Live zu hören sind International Music am 17. August im Rahmen des Festivals Pop-Kultur in der Kulturbrauerei. Das Festival startet am Mittwoch, 15. August. International Music spielen am Abschlusstag im Maschinenhaus der Kulturbrauerei, Konzertbeginn ist um 21 Uhr. www.pop-kultur.berlin

Auf sich aufmerksam machten International Music Ende vergangenen Jahres mit ihrem Songbeitrag auf dem Sampler „Keine Bewegung 2“, veröffentlicht wie nun auch das Debütalbum beim Berliner Label Staatsakt. Mit dem Album werden sie als Nachfolger von dessen Vorzeige-Jungsband Isolation Berlin gehandelt, dabei klingen International Music völlig anders. Wenn überhaupt Gegenwart, wenn überhaupt Hauptstadt, dann läge als Vergleich eher Ja, Panik nahe, mit denen das Trio das Stilmittel teilt, Deutsch und Englisch, wo es passt, in eins zu denken, beide Sprachen in eine Zeile zu setzen. Aber eigentlich scheint diese Musik am ehesten in der frühen deutschsprachigen Postpunk-Bewegung Verwandte zu finden.

Nur dass Gruppen wie F.S.K., Foyer des Arts und Palais Schaumburg in den 1980ern immer wirkten wie Band ­gewordene Manifeste. F.S.K. zum Beispiel lernten sich über ein gemeinsam heraus­gegebenes Magazin kennen, betrieben Musik als Geschichtsforschung, ihr Sänger Thomas Meinecke schreibt heute auch post-poststrukturalistische Popromane.

Und klar, Joel Roters ist bildender Künstler, Peter Rubel studiert Musik, so diskursfern, wie Kneipe, Fußball und Songtitel wie „Verpiss dich“ oder „Du Hund“ halbherzig andeuten, ist hier nichts. International Music beschreiben ihre Musik trotzdem eher so: „Wir sagen immer, wir machen Rockmusik. Weil Rock irgendwie alles ist und nix. Und wir haben ziemlich unterschiedliche Lieder, darum können wir das Genre nicht so spezifizieren“, sagt der Bassist Crescenti. „Wir können besondere Elemente beschreiben. Ich denke an die Repetition, an die Umkehrung, an Wortspiele, an Reduktion.“ „Aber das sind dann ja schon Wörter aus der Musikanalyse“, ergänzt der Gitarrist Rubel. „Wenn man sich wirklich fragt, was man für Musik macht, was ja schon eine komische Frage an sich selbst ist, dann muss man Analyse machen. Aber das will ja keiner hören.“

Über 17 Songs ist „Die besten Jahre“ – bei aller No-Wave-­Sperrigkeit – bisweilen blanker Pop, und man hört im Musik gewordenen kalten Rauch, der durch die Lieder weht, die Spuren aller Emotionen eines Abends, der nicht mit den hipsten Newcomern, sondern den ältesten Freunden verbracht wurde.

„Wir sagen immer, wir machen Rockmusik. Weil die alles ist und nix“

Pedro Goncalves Crescenti

Viel Liebe und viel Sorge, viel Wahrheit und viel Stuss. International Music sind mit „Die besten Jahre“ nicht die naheliegendste beste neue deutschsprachige Band des Jahres. Vermutlich macht gerade das sie so gut.

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